Es ist die Flucht in eine andere Sprache und damit vor der eigenen Identität, die Nadav Lapid in seiner Parabel "Synonymes" durchexerziert, die dem israelischen Regisseur heuer den Goldenen Bären der Berlinale eintrug. Sein auf zwei Ebenen dechiffrierbares Werk lebt dabei ganz von seinem Hauptdarsteller Tom Mercier. Ab Freitag im Kino.
Synonymes - Kurzinhalt zum Film
Mercier spielt bei seiner ersten Hauptrolle in einem Spielfilm den jungen Israeli Yoav, der mit Handgepäck im winterlichen Paris landet und prompt in der ersten Nacht beinahe erfriert, nachdem ihm seine Kleider gestohlen wurden. Gerade noch rechtzeitig finden ihn Emile (Quentin Dolmaire) und Carolin (Louise Chevillotte), ein Möchtegernschriftsteller aus reichem Hause und eine Oboistin, die in der klassischen Musik das Vergessen ihrer wilden Jugendjahre sucht.
Mit dieser Wiedererweckung geht für Yoav gleichsam eine Wiedergeburt einher: Aus seiner Heimat nach dem Militärdienst geflohen, versucht er, alles Israelische abzulegen und weigert sich fortan, ein Wort Hebräisch zu sprechen. Yoav eignet sich geradezu manisch das Französische an, ist zerrissen zwischen seiner Identitätssuche und dem Status als Exilant.
Synonymes - Die Kritik
Der 44-jährige Lapid, der mit "Synonymes" teils eigene Erfahrungen aus seiner Pariser Zeit verarbeitet, bleibt dabei stets mit der Kamera auf Tuchfühlung an Yoav, der in episodischen Sequenzen und in einem ikonografisch gelben Mantel durch die französische Metropole streift. Er setzt dabei weniger auf den großen narrativen Bogen als auf einzelne Szenen, die sich weniger aufeinander beziehen als in der klassischen Erzählkonvention. Sie weisen dabei meist kleine Abweichungen vom Naturalismus und groteske Elemente auf - und spiegeln somit den Blick des Protagonisten wider.
Zu weit wagt sich Lapid letztlich nicht in der Geschichtengestaltung, sondern hält den Zuschauern zwei mögliche Lesarten offen: Die der abstrakten Parabel ebenso wie die der konkreten Psychostudie eines unter Hochspannung Stehenden. Yoav spielt verrückt. Oder er spielt das Verrücktsein, beides ist denkbar.
Dafür engagierte sich Mercier in der Vorbereitung weit über das gängige Niveau hinaus, wie er bei der Premiere von "Synonymes" bei der heurigen Viennale berichtete: "Ich habe ein Jahr lang in Tel Aviv an meinem Französisch gearbeitet. [...] Ich habe in der Zeit praktisch nichts anderes gemacht", erinnerte sich Mercier an seine eigene Methode, sich den Part anzueignen. Dies gelang so gut, dass Mercier beschloss, nach dem Ende der Dreharbeiten in Paris zu bleiben. "Für mich war es auch eine Rückkehr zu meinen Wurzeln." Schließlich stammt der Vater des Schauspielers aus Frankreich.
(APA/Red)