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Südtirolersiedlung in Bregenz: Geschichten von damals und warum es eine Wohnung mit Balkon gibt

Inmitten der Südtirolersiedlung in Bregenz Vorkloster, steht ein Balkon, der seine eigene Geschichte zu erzählen hat.

Darum geht's:

  • Die Südtirolersiedlung in Bregenz hat eine interessante Geschichte.
  • Die Siedlung wurde während des Zweiten Weltkriegs für deutschsprachige Südtiroler gebaut.
  • Es gibt eine Wohnung mit einem markanten Balkon - die Geschichte dahinter
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Helmwart Zortea, Jahrgang 1937 und langjähriger Bewohner dieser Siedlung, erzählt gegenüber VOL.AT von seiner Kindheit, dem Krieg und was es mit diesem "Balkon" auf sich hat.

Helmwart kann sich noch gut an die Zeiten von damals erinnern ©Natascha Griswold/VOL.AT

Die Geschichte der Südtirolersiedlung reicht bis in die dunkelsten Tage des Zweiten Weltkriegs zurück. Die Vertreibung der deutschsprachigen Südtiroler aus ihrer Heimat begann schon vor dem Hitler-Mussolini-Abkommen. Sie wurden aufgrund der "Italianisierungspolitik" unter Mussolini ab den 1920er-Jahren aus Südtirol vertrieben oder unterdrückt. Hitler-Deutschland stimmte zu, Siedlungen für diese "Auswanderer" und Vertriebenen zu bauen. Diese Siedlungen entstanden in Vorarlberg von Bregenz über Dornbirn bis Bludenz.

Helmwart Zortea erinnert sich daran, dass damals viele der Bewohner Bauern waren, genauer gesagt Bergbauern, die aus Südtirol stammten. Der Bau der Siedlung begann im Jahr 1939 und wurde 1941 in Bregenz-Vorkloster abgeschlossen. 1942 zog die erste Gruppe der Bewohner ein. Zu dieser Zeit waren die meisten Wohnungen einfach ausgestattet. Jedoch hatten Helmwart Zortea und seine Familie Glück: "Unsere Wohnung hatte viele Annehmlichkeiten, die die meisten anderen Wohnungen nicht hatten", berichtet er. Sie verfügten über eine Küche mit einem Elektroherd, einen Warmwasserboiler und sogar eine eigene Badewanne im Badezimmer.

"Hühner im Badezimmer"

Helmwart Zortea erinnert sich schmunzelnd: "Ich kann mich noch genau erinnern, da war eine Familie in der Nachbarschaft, die hatten Hühner in ihrem Badezimmer."

Südtirolersiedlung in Bregenz Vorkloster ©Natascha Griswold/VOL.AT

Häuser wurden eilig errichtet

Während des Krieges waren die Straßen vor den Häusern nur mit Schotter befestigt und von Baugruben umgeben. Erst im Jahr 1944/45 erhielten die Häuser eine vollständige Verputzung. In dieser Zeit war es notwendig, die Siedlungen schnell zu errichten, weshalb Komfort oft vernachlässigt wurde.

Ein prägnanter Ort in dieser Siedlung ist der noch heute erhaltene Balkon. Dieser Bereich, der zwischen der Unteren und Oberen Burggräflergasse, der Schendlingerstraße und der Michael-Gaismayr-Straße liegt, war ursprünglich als Versammlungsplatz für die Bevölkerung und als Aufmarschplatz für die Wehrmacht vorgesehen. Geplant war, dass ein hochrangiger Nazi-Vertreter in der Wohnung auf diesem Platz leben und von der vorhandenen Rednerbühne aus Veranstaltungen abhalten sollte. Nach dem Ende des Krieges im Jahr 1945 kam es jedoch nicht mehr dazu, und die Rednerbühne blieb bestehen. In den folgenden Jahren wurde der Platz für Schrebergärten genutzt, in denen die Bewohner nach dem Krieg ihr eigenes Essen anbauten. Diese Schrebergärten gibt es heute aber nicht mehr.

Juttas Sicht vom Balkon im Sommer ©Handout/Privat
Heute wird der Platz als Spielwiese für Kinder verwendet, der Hügel auf dem Feld wurde gebaut, damit die Kinder im Winter runter rodeln können. ©Natascha Griswold/VOL.AT

Kindheit im Schatten des Krieges: Helmwarts Erinnerungen

Helmwart Zortea, der im Jahr 1946 mit seiner Familie in den dritten Stock des genannten Gebäudes zog, erinnert sich an die Nachbarn, die in der Wohnung mit diesem Balkon lebten. Er berichtet, dass es sich um ganz gewöhnliche Familien handelte. Für den heute 86-jährigen Zortea war die Kindheit in der Siedlung etwas Außergewöhnliches. Besonders faszinierend war für ihn damals, dass sich dort so viele Kinder aufhielten. Sie haben viel miteinander gespielt. Er erinnert sich an die kleinen Streiche und Abenteuer, die sie erlebten, und daran, wie sie mit Dingen spielten, die sie in der Umgebung fanden.

Doch die Kindheit von Helmwart war nicht nur von fröhlichen Spielen geprägt. Während der schrecklichen Kriegszeit lebte er mit seiner Familie im alten Eisenbahnerhaus in der Mehrerauerstraße und wurde Zeuge des unfassbaren Horrors. Regelmäßig sah er, wie Waggons voller unschuldiger Juden nach Bregenz gebracht wurden. Der Anblick der marschierenden Hitlerjugend, die an ihnen vorbeizogen, ist ihm noch heute in Erinnerung geblieben. Bereits mit zarten sechs oder sieben Jahren musste er mit eigenen Augen Gewehre, Munition und Panzerfäuste sehen, die von deutschen Soldaten am Ufer des Sees weggeworfen wurden, als die französische Armee und marokkanische Truppen einmarschierten. Eine unvorstellbare Furcht ergriff ihn auch gegen Ende des Zweiten Weltkriegs, als an der Stelle, an der sich heute das Café Braike in Bregenz befindet, eine riesige Bombe einschlug und sämtliche Fenster zerbarsten.

VOL.AT zu Besuch bei Helmwart ©Natascha Griswold/VOL.AT

Zusammenhalt in dunklen Zeiten: Die Gemeinschaft der Siedlung

Trotz der Herausforderungen in dieser Zeit erinnert sich der 86-Jährige gerne an die Nachbarschaft zurück: "Wir haben uns immer gegenseitig geholfen und unterstützt." Diese Solidarität und der Zusammenhalt sind ihm trotz des Krieges in positiver Erinnerung geblieben.

Jutta auf ihrem Balkon in der Südtirolersiedlung ©Natascha Griswold/VOL.AT

Jutta bewohnt seit 17 Jahren die Wohnung mit "Balkon"

Jutta lebt heute in einer auffälligen Wohnung mit "Balkon". Damals, als Jutta und ihre Tochter in der Achgasse lebten, hatte sie einen starken Wunsch nach einem eigenen Zuhause mit Balkon. Als sich ihre Lebenssituation veränderte, erkundigte sie sich bei Vogewosi, ob sie eine Wohnung zur Verfügung hätten. Kurz nach ihrem 40. Geburtstag erhielt sie die Bestätigung für eine neue Wohnung im Vorkloster innerhalb der Südtirolersiedlung. Gemeinsam mit ihrer Freundin besichtigte sie die Wohnung und war sehr glücklich darüber, dass ihr Wunsch erfüllt wurde.

Als sie vor 17 Jahren in diese Wohnung zog, erfuhr sie gleich zu Beginn, dass der Balkon in der damaligen Zeit eigentlich als Podest für Reden gedacht war.

Gute Nachbarschaft: Kaffeepause bei Jutta mit ihrem Nachbar Roman. ©Natascha Griswold/VOL.AT

Roman äußert auch einen Wunsch: "Was uns hier in der Südtirolersiedlung fehlt, sind Balkone. Wir würden uns alle sehr darüber freuen, wenn jede Wohnung die Möglichkeit hätte, einen eigenen Balkon zu genießen und am Abend gemütlich rauszusitzen."

(VOL.AT)

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