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Strauss' "Cagliostro" als ambivalentes Zirkus-Experiment

Der Schani mitten drin im Getümmel bei "Cagliostro" im Zirkuszelt
Der Schani mitten drin im Getümmel bei "Cagliostro" im Zirkuszelt ©APA/Victoria Nazarova
Schani im Riesenradwaggon, im Schwimmbad und jetzt in der Manege des Circus Roncalli: Das Strauss-Jahr hat mitunter Ungewöhnliches abseits des Theaters zu bieten. Die Inszenierung "Cagliostro - Johann Strauss im Zirkuszelt", die gestern in Wien Premiere feierte, geht noch einen Schritt weiter. "Es ist ein Experiment. Oder was immer es ist, auf alle Fälle ist es Kultur", beschrieb Roncalli-Direktor Bernhard Paul den Mix aus Operette, Pop, Show, Musical, Theater und Artistik.

Von Strauss' Operette "Cagliostro in Wien", uraufgeführt 1875, ist außer den handelnden Personen wenig übriggeblieben. Thomas Brezina hat dem Stück einen neuen Text verpasst. Der Komponist, Produzent, Dirigent und Gitarrist Johnny Bertl bediente sich im gesamten Strauss-Œuvre und arrangierte aus dem Material des Walzerkönigs neue Songs. Da darf nach "An der schönen blauen Donau" ein "We Will Rock You"-ähnlicher Rhythmus erklingen, auf ein Operettenduett ein Rap à la Falco folgen. Strauss-Puristen mögen die Nase rümpfen. Der Circus Roncalli steuerte ein Grand Chapiteau und Artistinnen, Artisten und Clowns - darunter ein beleibter Schani - bei.

Gegen den Strom

Der Genremix (Regie: Michael Schachermaier) wirkte an manchen Stellen mehr, an anderen weniger geschmeidig. "Ich habe immer das gerne gehabt, was ums Eck gegangen ist. Und das hier ist schon etwas, das gegen den Strom schwimmt- aber wohlgelitten", sagte Paul zur APA. Die gesangliche Leistung des Ensembles, darunter Thomas Borchert, Eva Maria Marold, Josef Ellers und Katharina Gorgi, ist stark, die Artistik - ob am Cyr Wheel, in einer Luftkugel, am Teeterboard oder am Todesrad (das seinen Namen nicht grundlos trägt) atemberaubend.

Brezina erzählt die Geschichte eines Mannes, der als Heilsbringer auftritt, aber Zirkusleuten bloß das Geld abknöpfen will. "Was mich an 'Cagliostro' immer fasziniert hat, ist die historische Figur", sagte der Autor im Gespräch mit der APA. "Er und seine Frau Laurenza haben es geschafft, Leute hinters Licht zu führen, auszunehmen, zu täuschen. Wenn wir uns umschauen, können wir heute etliche unter uns finden, die es genau so machen. Mich hat die Frage interessiert: Wie kann man ihnen entgegentreten. Das ist das Spannende an diesem Stück." Wobei die Antwort in seiner Fassung dann doch etwas unbefriedigend ausfällt.

Premierenpublikum hatte Freude

Bernhard Paul betonte wiederholt in Interviews und in der Manege, dass es kein Roncalli-Programm sei (sein Circus kommt 2026 mit einem 50-Jahre-Jubiläumsprogramm wieder in die Stadt). Aber sich drauf einzulassen, da habe er nicht lange überlegen müssen, versicherte er gegenüber der APA: "Die Verdächtigen, die damit zu tun haben, hatten bei mir ja schon Wohlklang." Roland Geyer, Intendant des laufenden Strauss-Jahres, hatte schon im Vorfeld wissen lassen: "Dass der Weg von Johann Strauss in ein Zirkuszelt führt, mag außergewöhnlich erscheinen - zugleich liegt er ganz im Geist seiner Freude an Unterhaltung." Das Premierenpublikum teilte diese Freude und spendete viel Applaus.

(Von Wolfgang Hauptmann/APA)

(S E R V I C E - "Cagliostro - Johann Strauss im Zirkuszelt" am Heumarkt, 1030 Wien. Musikalische Leitung: Gabor Rivo, Buch und Songtexte von Thomas Brezina, Musik von Johann Strauss neu komponiert und arrangiert von Johnny Bertl, Regie: Michael Schachermaier. Mit Thomas Borchert - Cagliostro, Eva Maria Marold - Madame Sophie, Josef Ellers - Severin, Sophia Gorgi - Emilia, Katharina Gorgi - Lady Laurenza und Andreas Lichtenberger - Herr Gustav. Weitere Aufführungen bis 28. September. )

(APA)

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