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Strache darf sich bedanken

©APA
Gastkommentar von Johannes Huber. Die Linken haben sich selbst in die Luft gesprengt. Und damit auch schon ihrem größten Gegner einen Dienst erwiesen.

Man kann es drehen und wenden, wie man will, die besten Erfolgsaussichten im Hinblick auf die Nationalratswahl am 15. Oktober hat FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache: Zulegen wird er mit den Freiheitlichen jedenfalls. Und zumal sie im Sommer schon auf den dritten Platz abgeschrieben worden sind, wäre bereits Platz zwei ein kleiner Sieg. Doch so sehr sich die Meinungsforscher vor der Bundespräsidenten-Wahl im April 2016 getäuscht haben, so sehr könnten sie dies auch diesmal tun; und dann liegen Strache und Co. ganz vorne. Ausschließen kann man jedenfalls gar nichts mehr. Was auch den Superstar der österreichischen Politszene, Sebastian Kurz, ein bisschen verunsichern muss; die bereits fix geglaubte Kanzlerschaft ist für ihn nicht mehr so hundertprozentig sicher.

Dass Türkis-Blau oder Blau-Türkis auf einen Stimmenanteil von gut und gerne 60 Prozent kommen könnten, alle Prognosen jedoch mit erhöhter Vorsicht zu genießen sind, hat einen einfachen Grund: Die Linken haben sich selbst in die Luft gesprengt. Zuerst die Grünen, dann die Roten. Die einen haben Peter Pilz rausgeschmissen, um ihn als Konkurrenten mit eigener Liste wiederzubekommen. Die anderen haben sich mit Tal Silberstein ein Problem eingefangen, das so groß ist, dass man es gar nicht mehr in Worte fassen kann. Wie auch immer: Jetzt kann es für die beiden nur noch darum gehen, nicht zu viel zu verlieren. Jeweils ein Drittel weniger Stimmenanteil wären schon eine Leistung.

Und zumal die Liste Pilz und die Neos kaum allein davon profitieren werden, bleiben automatisch auch saftige Zugewinne für Türkis und Blau. Ja, es ist ein Treppenwitz der Geschichte: Die Grünen mögen nun damit werben, dass man sie wählen müsse, wenn man die Freiheitlichen verhindern wolle; dass diese zusammen mit der Kurz-ÖVP jedoch zu einer so saftigen Regierungsmehrheit kommen könnten, ist ein Stück weit auch ihnen zu verdanken: Sie haben sich als brauchbare Alternative in den vergangenen Monaten aus dem Spiel genommen.

Viel direkter den Freiheitlichen zugearbeitet haben freilich die Sozialdemokraten: Christian Kern hat vor einem Jahr angefangen, sie zu umwerben. So glaubte er, ihre Anhänger eher gewinnen zu können. Jetzt droht das Ganze jedoch nach hinten loszugehen: Er hat es jedenfalls auch frustrierten Genossen einfacher gemacht, blau zu wählen.

Strache darf sich bedanken. Sofern er Zeit hat: Wir stecken in der Intensivphase des Wahlkampfes und dann geht’s an die Regierungsbildung. Wobei sich der 48-Jährige eigentlich nur wünschen kann, lediglich Chef der zweitstärksten Partei zu sein: Schafft es Kurz nicht nach ganz vorne, ist dessen Zukunft und damit auch die der gesamten ÖVP ungewiss. Gelingt Kurz Platz eins, ist dieser in Ermangelung einer Alternative davon abhängig, von den Freiheitlichen unterstützt zu werden – was eine traumhafte Verhandlungsposition für Strache darstellt.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.

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