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Steuerreform und Pensionen: Nationalrat verteilt mit beiden Händen

Der Nationalrat schob gestern Sonderschichten.
Der Nationalrat schob gestern Sonderschichten. ©APA
Donnerstagnacht hat der Nationalrat in der Sitzung eine Woche vor der Wahl noch einmal ordentlich Zuckerl verteilt. Konkret wurden Steuern gekürzt und Pensionen erhöht.

Die Steuerreform 2020 wurde im gestrigen Nationalrat mit den Stimmen der ÖVP und FPÖ und NEOS beschlossen. Sie sieht unter anderem eine Senkung der KV-Beiträge für Selbstständige und Landwirte, Entlastungen für Geringverdiener und Pensionisten sowie eine Steuerpauschalierung für Kleinunternehmen vor. Die SPÖ stimmte nicht zu, brachten mit dem Verlangen einer getrennten Abstimmung aber zum Ausdruck, dass sie einzelne Elemente der von den ehemaligen Koalitionspartnern vorgelegten Reform sehr wohl befürwortet. Kritisch steht dem Gesetzespaket die Liste JETZT gegenüber, die das ursprüngliche Reformziel - Steuerentlastungen für Geringverdiener - verfehlt sieht.

Gemeinsam mit der Steuerreform verhandelt Plenarsitzung auch die Pensionsanpassung für das kommende Jahr. Nur die NEOS stimmten gegen die gestaffelte Erhöhung von Pensionen, die sie als teures "Wahlzuckerl" verstehen.

Mit Abänderungsanträgen brachte die SPÖ ihre Forderungen durch, dass für Personen mit 45 Arbeitsjahren künftig keine Pensionsabschläge anfallen und bis zu 60 Versicherungsmonate der Kindererziehung als Beitragsmonate der Erwerbstätigkeit berücksichtigt werden. Angenommene SPÖ-FPÖ-Anträge sorgen dafür, dass die Wartezeit für die erste Pensionsanpassung entfällt und dass die Abschläge bei Nacht- und Schwerarbeitern abgeschafft werden.

NEOS unterstützen ÖVP-FPÖ-Steuerreform 2020 trotz Kritik, SPÖ geht bei Teilen mit

Für Geringverdiener bringt das Steuerreformgesetz 2020 Entlastungen durch eine höhere Rückerstattung der Sozialversicherungsbeiträge (Negativsteuer) und eine Erhöhung des Verkehrsabsetzbetrages im Zuge der Arbeitnehmerveranlagung. Damit auch Pensionisten profitieren, erhalten sie einen um 200 € höheren Pensionistenabsetzbetrag.

Selbstständige und Landwirte erwartet - unabhängig vom Einkommen - eine allgemeine Senkung des Krankenversicherungsbeitrags. Er wird auf Kosten des Bundes um 0,85% gesenkt. Laut aktuellen Berechnungen des parlamentarischen Budgetdiensts profitieren diese demnach in allen Einkommensgruppen von der Entlastung. Für Arbeitnehmer mit einem Einkommen unter der Geringfügigkeitsgrenze kommt es laut Budgetdienst zu keiner Entlastung, ab der Geringfügigkeitsgrenze steigt die Entlastung auf maximal 300 € pro Jahr an. Ab rund 22.600 € kommt es durch die geplanten Maßnahmen zu keiner Einkommensveränderung mehr.

Für Kleinunternehmer ist eine einfache Steuerpauschalierung sowie eine Erhöhung der Kleinunternehmergrenze im Sinne des Umsatzsteuergesetzes von 30.000 € auf 35.000 € vorgesehen. Die Grenze für die Sofortabschreibung von geringwertigen Wirtschaftsgütern wird von 400 € auf 800 € verdoppelt.

Weitere Elemente des Steuerreformgesetzes 2020 sind die Senkung der Umsatzsteuer auf E-Books auf 10% sowie Steuerbegünstigungen für erneuerbare Energie wie Wasserstoff, Biogas und durch Photovoltaik erzeugten Eigenstrom. Ebenso kommt es zu Änderungen bei der Normverbrauchsabgabe und bei der Tabaksteuer.

Begleitend zur Steuerreform wurde eine Änderung des Stiftungseingangssteuergesetzes angenommen. Die im Zuge der Sozialversicherungs-Organisationsreform geschaffenen Stiftungen sollen nicht nur von der Einkommenssteuer und der Körperschaftssteuer, sondern auch von der Stiftungseingangssteuer befreit werden. Ferner wird der Verkehrsminister zu budgetären Vorbelastungen im Ausmaß von 11,024 Mrd. € ermächtigt, um damit in den kommenden 15 Jahren Verkehrsdienstleistungen auf der Schiene zu finanzieren.

Entlastungen für Pensionen bis 2.500 € und Zweckzuschuss für die Länder

Das Pensionsanpassungsgesetz 2020 bringt eine gestaffelte Pensionserhöhung. Pensionen bis 1.111 € brutto - auch Ausgleichszulage und Opferrenten - werden um 3,6% steigen. Darüber bis 2.500 € erfolgt eine schrittweise Absenkung bis auf den gesetzlichen Inflationswert von 1,8%. Für die übrigen Pensionen kommt der gesetzliche Anpassungsfaktor von 1,8% zum Tragen, wobei ein Deckel von 94 € für Gesamtpensionen über 5.220 € eingezogen wurde. Außertourlich angehoben wird außerdem die Ausgleichszulage für Ehepaare. Sie wird 2020 von 1.398,97 € auf 1.472 € steigen.

Mehrheitlich beschlossen wurde zudem, dass die Länder einen vollen Kostenersatz für die Abschaffung des Pflegeregresses für die Jahre 2019 und 2020 erhalten. Durch den Zweckzuschuss wird der Bund zusätzlich zu den im ASVG verankerten 100 Mio. € entsprechende Mittel aus dem Pflegefonds bereitstellen.

Finanzminister Müller: Noch nicht alle Mittel im Stabilitätsprogramm eingepreist

Über die finanziellen Auswirkungen der zahlreichen Vorhaben informierte Finanzminister Eduard Müller, der das Gesamtvolumen des Steuerreformpakets mit 2,8 Mrd. € bezifferte. Im Gegenzug rechne man mit Einnahmen von etwa 0,8 Mrd. €. Da der sich daraus ergebende Nettofinanzierungsbedarf in der Höhe von 2 Mrd. € jedoch schon eingepreist wurde, sei das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts nicht gefährdet. Darüber hinaus seien aber weitere Anträge auf der Tagesordnung (z.B. Pensionsanpassung, Mittel für die Abschaffung des Pflegeregresses), für die zusätzliche Mittel in der Höhe von 1,8 Mrd. € notwendig sein werden. Wenn man noch die Nationalratsbeschlüsse vom Juli hinzurechnet, ergibt das eine Summe von insgesamt 5 Mrd. €.

Müller erläuterte die Eckpunkte der Steuerreform und gab den Abgeordneten generell mit auf den Weg, dass die Beschlüsse in der aktuellen Parlamentsphase sowohl von der EU als auch von den Ratingagenturen aufmerksam verfolgt werden. Außerdem mahnte er generell Wachsamkeit ein, zumal Experten des IHS und der OECD von einer Abflachung der Wirtschaftsentwicklung ausgehen.

SPÖ will steuerfreien Mindestlohn in Höhe von 1.700 €

Österreich war immer dann am stärksten, wenn alle Menschen, unabhängig von ihrem Alter, ihrer Herkunft oder ihrer Geldbörse, mitgenommen wurden, unterstrich Klubobfrau Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) zu Beginn ihrer Rede. Dafür sei auch Rudolf Hundstorfer gestanden, der immer den Dialog, den Ausgleich und das Miteinander gesucht habe. Die heutige Debatte um eine Steuerreform zeige jedoch, dass es eine gesellschaftliche Schieflage gibt, zumal die Arbeitnehmer 80% der Steuerlast schultern. Es sei daher nicht fair, wenn nur die Selbstständigen und Bauern ein Jahr früher als die Arbeitnehmer durch eine Senkung der Krankenversicherungsbeiträge entlastet werden sollen, wie dies der Vorschlag von ÖVP und FPÖ vorsieht.

Die SPÖ habe daher ein alternatives Konzept ausgearbeitet, von dem alle Menschen rasch profitieren würden. Kernpunkt sei dabei die Entlastung der Arbeitnehmern in der Höhe von 5 Mrd. €. Angesichts eines abflauenden Wirtschaftswachstums, vor dem die SPÖ schon im Frühjahr gewarnt habe, sollte unter anderem ein steuerfreier Mindestlohn in der Höhe von 1.700 € umgesetzt werden. Außerdem sehe das Maßnahmenpaket eine Entlastung der Wirtschaft um eine Mrd. € vor, damit neue Jobs geschaffen werden können.

Gemeinsam von SPÖ und FPÖ eingebracht und dadurch mit Stimmenmehrheit beschlossen wurden sowohl Abänderungsanträge, die sicherstellen, dass die Wartezeit für die erste Pensionsanpassung entfällt, als auch zur Abschaffung der Abschläge bei Nacht- und Schwerarbeitern. Dietmar Keck (SPÖ) hob die Bedeutung beider Maßnahmen hervor.

ÖVP: Erster Teil der Steuerreform wird wie versprochen umgesetzt

Mit dem heutigen Beschluss des ersten Teils der Steuerreform komme es zu einer Entlastung der niedrigen Einkommensbezieher, war ÖVP-Klubobmann August Wöginger überzeugt. Man halte damit ein, was zuvor versprochen wurde. Wöginger wies darauf hin, dass etwa eine Verkäuferin, die 1.200 brutto verdient, mit einem Plus von 300 € pro Jahr rechnen kann; bei Pensionen um die 1.100 € brutto betrage die Entlastung ca. 200 €. Es sei daher nur mehr als gerecht, dass auch Landwirte und Selbstständige von den Maßnahmen profitieren. Erfreut zeigte sich der Sozialsprecher der ÖVP auch über Einigung in Bezug auf die Pensionsanpassungen, von der vor allem kleine und mittlere Einkommensbezieher profitieren werden. Wer ein Leben lang gearbeitet habe, dürfe auch in der Pension nicht der Dumme sein, meinte er.

Positiv bewertete Wöginger auch die Erhöhung der Kleinunternehmergrenze auf 35.000 €, die Anhebung der Abschreibungsgrenze für geringwertige Wirtschaftsgüter, die Umgestaltung der NoVA, die Begünstigungen für erneuerbare Energie sowie die Einführung eines ermäßigten Steuersatzes für E-Books. Der ÖVP war es immer ein wichtiges Anliegen, dass alle Berufsgruppen von den Maßnahmen profitieren, unterstrich Abgeordneter Peter Haubner. Ein Plus von 700 Mio. € im Jahr 2020 für die kleinen Einkommensbezieher könne sich wahrlich sehen lassen, schlossen sich auch Georg Strasser und Michael Hammer (beide ÖVP) den Ausführungen ihres Vorredners an.

NEOS: "Weg der Unvernunft" verursacht Kosten von 10 Mrd. € bis 2027

Scharfe Kritik kam von Seiten der NEOS, die von Unvernunft, Zukunftsvergessenheit und einem Schlag ins Gesicht der jungen Menschen sprachen. Obwohl Vertreter aller Parteien in Sonntagsreden immer wieder einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Budget beschwören, seien dann alle bereit, kurz vor dem Wahltag "Zuckerl" an ihre Klientel zu verteilen, beklagte Beate Meinl-Reisinger (NEOS). Während sie - ebenso wie Josef Schellhorn - die geplanten Entlastungen im Bereich der Wirtschaft für gut hieß, kritisierte sie mit Nachdruck die teuren Wahlgeschenke, die bis zum Jahr 2027 Kosten in der Höhe von 10 Mrd. € verursachen würden. Gleichzeitig sei von der notwendigen Ökologisierung des Steuersystems, der Abschaffung der kalten Progression und einem Sparen im System überhaupt keine Rede mehr. Außerdem sei wieder einmal auf die Interessen des Mittelstands vergessen worden, bedauerte Schellhorn.

Obwohl einige gute Dinge zu finden seien, sei die Steuerreform 2020 nicht gerade "der große Wurf", befand auch Karin Doppelbauer (NEOS), denn eine Ökologisierung des Steuersystems würde nicht geschehen. Zudem würden von dem Gesetz massive Mehrausgaben in der Höhe von 10 Mrd. € für die nächste Jahre ausgehen. Sie appellierte, mit dem Schuldenmachen aufzuhören und die Schuldenbremse in den Verfassungsrang zu heben.

FPÖ will Weg nach den Wahlen fortsetzen

Norbert Hofer (FPÖ) erinnerte daran, dass es der letzten Regierung erstmals seit 44 Jahren gelungen sei, keine neuen Schulden zu machen. Gleichzeitig habe man massiv in Zukunftsbereiche investiert, vom Ausbau der Schiene bis zur Förderung der Wasserstoffforschung. Der freiheitliche Klubobmann verteidigte die nun vorgesehenen Entlastungen für die Bezieher niedriger Einkommen, diese seien mehr als gerechtfertigt. Gerade die ältere Generation, die Österreich aufgebaut und ihr ganzes Leben Beiträge bezahlt hat, habe sich eine Erhöhung verdient. Dennoch könne auch heuer mit einem Budgetüberschuss gerechnet werden. Die "Steuerfantasien" der SPÖ stufte Hofer als standortfeindlich ein, die gerade angesichts einer drohenden Rezession negative Auswirkungen haben würden.

Liste JETZT kritisiert Fortsetzung der Klientelpolitik

Das Steuerreformgesetz 2020, mit dem der untere Einkommenssektor entlastet werden sollte, habe sein Ziel verfehlt, urteilte Bruno Rossmann von der Liste JETZT. Dies habe auch der Budgetdienst des Parlaments bestätigt, der etwa darauf hinwies, dass innerhalb der Gruppe der Selbstständigen und Landwirten auch die höheren Einkommen deutlich entlastet werden. Während es nämlich bei den unselbstständig Beschäftigten und den Pensionisten eine Einschleifregelung gibt, würden jene Selbstständigen am meisten profitieren, die 6.500 € verdienen. Auch die Ansätze in Richtung Ökologisierung seien nicht ausreichend, urteilte Rossmann, der abermals eine sozial verträgliche und aufkommensneutrale CO2-Steuer einforderte. Dazu habe er ein entsprechendes Konzept vorgelegt. Den Antrag der NEOS auf Abschaffung der kalten Progression wertete er als Ausdruck von "strukturierter Verantwortungslosigkeit", da sich darin kein Gegenfinanzierungsvorschlag finde.

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(APA/red)

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