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Steuer straft Bedürftige

Bregenz - Erst am Samstag berichtetet die "VN", dass Finanzminister Molterer im ersten Quartal allein an Lohnsteuer um 380 Millionen Euro kassierte als im Erstquartal 2007.

Die Steuer- Belastung der arbeitenden Menschen erreicht nie da gewesene Ausmaße. Noch schlimmer ist freilich dran, wer körperbehindert oder pflegebedürftig ist: Die entsprechenden Absetz- und Freibeträge für außergewöhnliche Belastungen, aber auch das Pflegegeld selbst haben seit fast 20 Jahren kaum eine Valorisierung (Wertanpassung) erfahren.

Davon kann nicht nur „VN“-Ombudsmann Dr. Gottfried Feurstein ein Lied singen, bei dem in keiner Sprechstunde die erwähnte Kategorie von Hilfesuchenden fehlt. Auch Steuerexperte Mag. Martin Feurstein (Dornbirner Wirtschaftsprüfungskanzlei Dr. Igerz) spricht in diesem Zusammenhang von einer „Bankrotterklärung der Regierung“. „Das Sozialministerium selbst räumt ein, dass das Pflegegeld seit 1993 einen Kaufkraftverlust von 17 Prozent erfahren hat. Unbestrittene Fachleute wie Caritas-Chef Franz Küberl beziffern ihn sogar aufs Doppelte. Da ist es einfach inakzeptabel, wenn Sozialminister Buchinger zu diesem Missstand keine andere Reaktion zu entlocken ist als der Hinweis, dass man jetzt nicht mit einem Schlag nachholen könne, was in gut zehn Jahren unterlassen wurde“, ärgerte sich Feurstein. Die einzige faire Korrektur dieser „Diskriminierung von Wehrlosen, die ohnedies keine Lobby haben“ (Feurstein), sieht dieser in einer automatischen Indexanpassung des Pflegegeldes. Die fordert z. B. auch Küberl. Und zwar, nachdem das Pflegegeld zuerst um ein Drittel valorisiert wurde.

Noch krasser säumig ist der Staat laut Martin Feurstein bei Steuerabsetz- und -freibeträgen für Kranke und Behinderte, die praktisch seit 1. Jänner 1989 unverändert geblieben sind. So wie die entsprechende erhöhte Kinderbeihilfe. Obwohl der Verbraucherpreisindex in dieser Phase um rund 50 Prozent nach oben kletterte, sind die einerseits am Behinderungsgrad orientierten, andererseits speziell für Krankendiätverpflegung, Behindertenvorrichtungen im Auto und z. B. für Taxikosten gewährten Freibeträge seit 19 Jahren „eingefroren“. Die in den Paragraphen 34 und 35 des Einkommenssteuergesetzes definierten Steuerbefreiungen für Aufwendungen von Behinderten seien zu allem Überfluss derart kompliziert formuliert, dass sogar der UFS (Unabhängige Finanzsenat) Innsbruck über eine „am Rand der Verständlichkeit gestaltete Rechtslage“ klagte.

Feuerstein verwies abschließend auf jene Behinderten, die zwischen 2200 und 11.000 Euro jährlich an Einkommen beziehen. Das hat u. a. damit zu tun, dass ein Ehepartner nur dann Freibeträge geltend machen können, wenn ihm auch der Alleinverdienerabsetzbetrag zusteht. Feurstein: „Wann sollen die beschriebenen Ungerechtigkeiten beseitigt werden, wenn nicht nach und in Jahren boomender Konjunktur und üppig sprudelnder öffentlicher Einnahmen?“

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