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Österreichische Spielfilme in der Kurzkritik

©Klaus Vyhnalek
Unter dem Titel "Home Run" hat die Viennale heuer das "Neue Kino aus Österreich" prominent zusammengefasst. Die APA bietet im Folgenden einen Überblick über die sechs österreichischen Spielfilme im Programm des Filmfestivals.
“Blutsfreundschaft” von Peter Kern: Als Weltpremiere ist das jüngste Werk des ehemaligen Fassbinder-Schauspielers und Regie-Exzentrikers Peter Kern angesagt. Im Zentrum seiner Erzählung über Rechtsradikale und Homosexuelle in Wien steht ein schwuler Alt-Nazi (Helmut Berger), der einen jugendlichen Neonazi nach einem Angriff auf eine soziale Einrichtung bei sich untertauchen lässt, weil dieser ihn an seine große Liebe aus der NS-Zeit erinnert. Vom Look her wie ein Fernsehspiel aus den 70ern mit recht unmotivierter Figurenentwicklung, wird die Geschichte immer wieder ironisch oder musikalisch gebrochen. Hier ging es Intendant Hans Hurch wohl mehr um eine politische Haltung als um die filmische Qualität. (28.10., 18 Uhr, Gartenbaukino)

“Domaine” von Patric Chiha: Die große Beatrice Dalle spielt Nadia, eine Mathematikerin in ihren Vierzigern, die eine Struktur im Chaos der Welt vermutet und an der Erkenntnis, dass es diese Struktur nicht gibt, verzweifelt. Einziger Halt ist lange Zeit ihr Neffe Pierre, der ihrer Art vollkommen verfallen ist, sich aber mit zunehmendem Alkoholkonsum seiner Tante immer mehr entfremdet und emanzipiert. Irgendwann dreht sich der Spieß um – doch das Interesse an dem obsessiven Verhältnis ist zu dem Zeitpunkt schon verpufft. Der Film ist überfrachtet und wirkt viel zu konstruiert, die Charaktere sind zu stilisiert und die Dialoge zu aufgesetzt. Das Spielfilmdebüt des in Paris lebenden Österreichers hat in Venedig leider enttäuscht. (27.10., 18 Uhr, Gartenbaukino / 29.10., 23.30 Uhr, Urania)

“Koma” von Ludwig Wüst: Der “Sonderfall im österreichischen Kino” (profil) macht seine Filme, “weil sie gemacht werden müssen” – und trifft damit genau die Einstellung von Intendant Hans Hurch. Dem mit einem Mini-Budget entstandenen Film hilft das allerdings nur wenig. Wüst erzählt die Geschichte von Hans, der an seinem 50. Geburtstag von seiner Familie abhaut und zu einer Frau aus seiner Vergangenheit flüchtet. Wo Widersprüche sein sollen, herrscht aber zumeist Langeweile, wo die Sommersonne die “typischen österreichischen Farben” ablösen soll, verheddert sich die Geschichte in Klischees. Und wo eine konsequente Haltung versucht wird, machen schwache schauspielerische Leistungen diesen Versuch zunichte. Koma für das Publikum. (27.10., 21 Uhr, Künstlerhaus)

“Lourdes” von Jessica Hausner: Schlicht benannt nach dem Pilgerort, in dem der gesamte Film angesiedelt ist, entfaltet das in Venedig mit dem FIPRESCI-Preis der internationalen Filmkritik prämierte Werk ein ruhiges, ritualisiertes und katholisch geprägtes Universum. Die Sensoren der Heilsuchenden sind in der französischen Kleinstadt auf das Außergewöhnliche und Übernatürliche ausgerichtet, doch als die MS-kranke Christine plötzlich wieder gehen kann, löst das nicht nur Freude aus. Formal konsequent inszeniert, entsteht nicht zuletzt durch die eindringliche Performance von Sylvie Testud eine dichte, immer wieder witzige Erzählung, die es schafft, die Würde des Ortes zu wahren, ohne ihn unkritisch zu huldigen. (31.10., 20.30 Uhr, Gartenbaukino / 4.11., 21 Uhr, Künstlerhaus)

“La Pivellina” von Tizza Covi/Rainer Frimmel: Der erste Spielfilm des Regieduos feierte in Cannes seine Weltpremiere und eröffnet heuer als erste österreichische Produktion überhaupt die Viennale. Für nur 150.000 Euro hergestellt, erzählt der Film mit Laiendarstellern die Geschichte eines kleinen Mädchens, das von seiner Mutter in der Peripherie Roms ausgesetzt wird. Die Kleine wird von einer Schaustellerin aufgenommen und findet im Mikrokosmos einer Wohnwagensiedlung für unbestimmte Zeit ein neues Hause. Der Stil ist naturalistisch, die Einstellungen lange und langsam, die Grundfarbe grau – und dennoch schwebt über der ärmlich-tristen Zirkusfamilie stets ein kleiner Hauch lebensfroher Magie. (22.10., 19.30 und 23 Uhr, Gartenbaukino)

“Terrorism, Considered As One Of The Fine Arts” von Peter Whitehead: Der britische Dokumentarist und kultiger Teil der Swinging Sixties hat seine Filmkarriere eigentlich 1977 beendet. Vor drei Jahren widmete die Viennale ihm ein Tribute – und im Zuge dessen begann er in Wien mit den Dreharbeiten zu diesem 155-minütigen Epos. Whitehead kritisiert in seinem neuen Film den Anti-Terror-Krieg westlicher Geheimdienste: Basierend auf einem selbst verfassten Roman, erzählt er von einem ehemaligen britischen Spion, der zu einer Öko-Terroristengruppe übergelaufen ist. Auf verstörende Art und Weise, mit zahlreichen Zitaten und einem interessanten Tonschnitt hinterlässt der Film den Zuseher etwas ratlos und verwirrt. Und das ganz sicher mit Absicht. (2.11., 18 Uhr, Gartenbaukino / 3.11., 20.30 Uhr, Stadtkino)

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