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Stefan Loacker im Sonntags-Talk: „Wollte nicht nur ein Rädchen sein“

Loacker im Sonntags-Talk.
Loacker im Sonntags-Talk. ©Sams
Als Helvetia-Chef leitete der gebürtige Hohenemser Stefan Loacker zehn Jahre lang die Geschicke von über 6000 Mitarbeitern. Mit W&W spricht er über seine Wahlheimat Schweiz, Startups und ­Managergehälter.

WANN & WO: Herr Loacker, Sie haben in Wien und St. Gallen studiert und leben heute auch in der Schweiz. Warum der Wechsel über den Rhein?

Stefan Loacker: Ich habe St. Gallen damals gewählt, weil es eine Top­universität für Wirtschaftsthemen ist, die in den internationalen Rankings stark positioniert ist. Als Nichtschweizer ist es aber nicht so einfach, hineinzukommen. Als ich es damals probiert habe, bewarben sich 600 Personen auf 60 freie Studienplätze. In meinem Jahrgang waren nur drei Vorarlberger unter insgesamt 800 Studenten. So gesehen gibt es eine Weltklasse-Uni direkt vor der Vorarlberger Haustüre, doch die wenigsten wissen das. Will man aber eine ruhige Kugel schieben, ist St. Gallen nicht unbedingt die erste Adresse dafür (lacht). Dass ich heute in der Schweiz lebe, hat sich im Zuge meiner Berufskarriere dann eigentlich zufällig ergeben, ich habe den Schritt aber nie bereut.

WANN & WO: War es für Sie von Anfang an klar, dass es in die ­Wirtschaft gehen soll?

Stefan Loacker: Als Jugendlicher habe ich mich sehr für Meeresbiologie interessiert, ein Thema, das mich auch heute privat noch immer begeistert. In Wien kann man das erstaunlicherweise ja auch studieren, obwohl wir kein Meer haben. Was man danach mit dem Studium macht, ist eine andere Frage. Beruflich war für mich aber von Beginn an klar, dass ich mich mit Wirtschaftsthemen befassen möchte. Ich fand es faszinierend, wie all die Themen – Personalmanagement, Marketing, Finanzen, Informatik, Organisation, Vertrieb – ineinandergreifen, man sie zu einem Ganzen formen und ein Unternehmen in einer Konkurrenzsituation erfolgreich voranbringen kann. Ich habe immer gehofft, dass ich einmal in eine Rolle komme, wo ich von oben eine Firma in der Hand habe und nicht nur irgendwo ein Rädchen bin.

WANN & WO: Verfolgen Sie, was in Ihrer „alten“ Heimat passiert?

Stefan Loacker: Natürlich. Meine Mutter lebt hier, ich habe hier viele Freunde und bin selbst auch immer wieder in Vorarlberg. Daher interessiert es mich schon, was im Ländle und natürlich in Österreich gesamt passiert. Wenn man einmal einen Blick von außen hat, bekommt man die Dinge viel intensiver und interessierter mit.

WANN & WO: Sie haben eine steile Karriere hingelegt und sind weltweit unterwegs. Wo finden Sie da noch Zeit für Familie und Privatleben?

Stefan Loacker: Es hat sich gebessert. In den zehn Jahren, in denen ich Chef der Helvetia, einem Versicherungskonzern mit über 6000 Arbeitnehmern war, war es klar, dass ich ein gewaltiges Aufgabenpensum zu absolvieren habe und das, was übrig bleibt, der Familie gewidmet wird. Man merkt dann aber irgendwann selbst, dass man für Freunde oder Hobbys keinen Platz mehr hat. Das war auch mit ein Grund, warum ich gesagt habe: Wenn ich um die 50 bin, mache ich was Neues und will nicht wieder in eine andere Hauptrolle in einen großen Konzern. Denn trotz aller Vorsätze, mehr zu delegieren, ist und bleibt man das Nadelöhr der Firma. Man kann nicht einfach mit fünf mal acht Stunden zusammenpacken und nach Hause gehen.

WANN & WO: Sie investieren als Venture Capital Investor auch in Startups. Welche Tipps haben sie für Entrepeneurs?

Stefan Loacker: Es braucht sehr viel, um ein Startup durch die erste Phase zu führen und Wachstum zu schaffen. Man braucht eine Geschäftsidee – diese sind heutzutage meist sehr technikorientiert. Wir interessieren uns für Machine Learning, Autonomes Fahren, Robotics, etc. – allesamt digitale Themen. Es gibt kaum einen Pitch, in dem man diese Schlagwörter nicht findet. Dann braucht es zwei, drei Leute, die gut harmonieren und homogen auftreten können – ein Gründer alleine ist meist zu wenig für einen Investor. Schützenswerte Elemente, Patente etwa, sind immer von Vorteil, auch, dass die Konkurrenz noch nicht meilenweit vorne liegt. Das alles unter einen Hut zu bekommen, ist aber nicht einfach – und gelingt auch nicht immer. Wer ein Startup gründet, ist voll am Anschlag, man muss voll durchbeißen. Es kommen Probleme auf einen zu, von denen man nicht wusste, dass es sie gibt. Ich habe es auf jeden Fall noch nicht erlebt, dass jemand eine geniale Idee hatte und aus dem Liegestuhl heraus zugeschaut hat, wie andere sie für ihn umsetzen. (lacht)

WANN & WO: Investieren Sie auch in Vorarlberger Unternehmen?

Stefan Loacker: Bislang investiere ich in zwei Startups mit Vorarlberger Beteiligung: Das wäre einmal Anivo, ein digitaler Versicherungsmakler mit Hauptsitz in Zürich, die Informatiktruppe sitzt aber in Dornbirn. Das sind ganz spannende IT-Techniker, die eine hochinteressante Versicherungs-Plattform entwickelt haben. Seit Kurzem bin ich zudem mit Elgar Fleisch, einem Professor an der HSG St. Gallen und der ETH Zürich aus Lustenau, in die Firma Pathmate involviert, eine digitale Therapiebegleitung für Leute mit chronischen Krankheiten und längeren Behandlungszyklen. Die meisten Startups, in die ich investiere, sind aber in Berlin. Die deutsche Hauptstadt ist der „place to be“ im deutschsprachigen Raum. Hier findet man die Techies, die Nerdies, sehr erfahrene Leute, hohe Internationalität und es ist recht günstig. Es gibt hier auch eine Reihe von Unicorns, das sind Firmen, die bereits eine Milliardenbewertung haben.

WANN & WO: Sie sind regelmäßig zu Gast im Silicon Valley. Was kann unsere Region vom Valley lernen, gerade auch im Hinblick auf Industrie 4.0 und Digitalisierung?

Stefan Loacker: Das Valley – aber auch zwei, drei andere Regionen dieser Welt – verfügt über ein ganzes Ökosystem, dass sich nur sehr schwer kopieren lässt. Die USA hat, im Gegensatz zu Europa, einen riesigen Heimmarkt, ausgezeichnete Universitäten und starke Großkonzerne, die extrem viel Forschung und Entwicklung betreiben. Wenn da eine Firma zuhause expandiert, ist sie schon fast Weltmarktführer. Wenn eine Firma in unserer Region expandiert, stellt sich nach 18 Monaten die Frage der Internationalisierung. Dann wird es gleich sehr kompliziert. Für ein kleines Land lässt sich das Valley-Modell nicht kopieren.

WANN & WO: Wenn nicht das Valley, welches Beispiel wäre für unsere Region somit eher geeignet?

Stefan Loacker: Man müsste sich eher anschauen, was beispielsweise ein Land wie Israel macht. Israel ist ein großer Player im Startup-Biotop und vor allem in Sachen Cyber-Security ganz vorne dabei ist. Es braucht eine Nische, in die man vorstoßen kann, aber auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die es lohnend machen, dass riskante Investitionen getätigt werden.

WANN & WO: Wie sehen Sie das Thema Managergehälter?

Stefan Loacker: Gehälter – von Managern wie auch von einfachen Angestellten – sollten immer leistungsbezogen und im internen Vergleich gerecht sein. Auch Augenmaß ist sehr wichtig. Es ist ungut – und für die Reputation der Firma auch schädlich – wenn hier zu stark überzogen wird. Als nach der Finanzkrise 2008 die UBS – die größte Schweizer Bank – gerettet werden musste, die Leute aber dennoch enorme Gehälter erhielten, führte das zu großem Unmut in der Bevölkerung. Der Politiker Thomas Minder brachte dann die „Minderinitiative“ – auch als Abzockerinitiative tituliert – auf den Weg, die sich gegen die überhöhten Managergehälter gerichtet hat. Das bewirkte, dass es bei börsennotierten Konzernen keine Abgangsentschädigungen und Antrittsboni mehr geben darf und die Gehälter jährlich bei der Generalversammlung zur Abstimmung vorgelegt werden müssen. Die Löhne wurden deshalb aber nicht niedriger. Ganz einfach, um dem Druck auf dem Weltmarkt, die besten Leute anzuziehen, standhalten zu können. Verglichen zu den USA, ist die Situation in Europa aber deutlich besser. In den USA ist es wirklich so, dass die Obersten enorm viel verdienen und der Mittelbau bzw. die Unteren sich kaum das Leben leisten können. Europa ist viel kompakter, aber es gibt natürlich auch hier Fälle, die den Leuten aufstoßen. Das muss vermieden werden.

WANN & WO: Aber auch in Europa geht die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander. Steuern wir auf amerikanische ­Verhältnisse zu?

Stefan Loacker: Nein, ich glaube, dass wir davon schon noch weit entfernt sind. Zwar können sich die global agierenden Firmen den Gehaltstrends auf dem Markt nicht ganz entziehen, aber insgesamt ist Europa doch noch vernünftiger aufgestellt, was die Lohngerechtigkeit angeht, als die USA.

Wordrap

Vorarlberg: Meine Heimat und sehr schön.
Schweiz: Genauso schön, wirtschaftlich sehr spannend und internationaler, ich fühle mich hier sehr wohl.
Familie: Sehr wichtig, Kern und Basis all meiner Aktivitäten.
Karriere: In meinem Fall ein Zufallsprodukt mit Happy End.
Geld: Nimmt Sorgen.
Globalisierung: Schafft Reichtum und neue Probleme.
Digitalisierung: Eine Riesenchance für viele und ein Risiko für einige.
Bildung: Das Wichtigste für ein kleines Land und seine Bevölkerung.
Jugend: Die Zukunft.
Europa: Ein Problemfall.

Zur Person

Name: Stefan Loacker, geboren am 6. Juni 1969, Hohenems
Ausbildung/Funktion: HAK Feldkirch, BWL-Studium an der Uni St. Gallen und WU Wien, 2002 bis 2005 Finanzchef Anker ­Versicherung Wien, 2007 bis 2016 CEO Helvetia Gruppe, seit 2016 Geschäftsführer der Delos Management GmbH

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