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Zwischenfall bei Breivik-Prozess: Mann wollte sich anzünden

Der Mann wurde in ein Krankenhaus gebracht.
Der Mann wurde in ein Krankenhaus gebracht. ©AP
Was die Überlebenden von Utöya über ihren Kampf ums Überleben mit schweren Schussverletzungen zu berichten haben, wird im Osloer Gerichtssaal an Bedeutung und Kraft noch vom Wie übertroffen. Am Rande des Prozesses versuchte ein Mann, sich selbst anzuzünden.
Breivik tötete ruhig und überlegt

Die 22-jährige Ina Rangönes Libak berichtete am Dienstag von einer nur schwer nachvollziehbaren Höllenfahrt auf der kleinen Fjordinsel mit schwersten Verletzungen, die Flucht über Leichen und den Verlust von Freunden. Am Ende brachte sie den Gerichtssaal mit ihrem Lebensmut zum Lachen.

Zeugin bricht in Tränen aus

Geweint hatte vorher ein junger Überlebender, der anonym bleiben wollte. Er musste vom Tod seines besten Freundes erzählen, der auf der Flucht ertrank. Libak zeigte den Richtern eine riesige Narbe von Schussverletzungen im linken Arm und von Treffern Breiviks in eine Wange sowie unter der Schulter. Sie berichtete, wie sie, den Mund voller Blut, sicher gewesen sei, dass sie sterben müsse. “Als ich in den Arm getroffen wurde, dachte ich, dass man das überlebt. Dann wurde ich in den Kiefer getroffen, und dachte, das ist ernster. Dann wurde ich in die Brust getroffen und dachte, dass man daran stirbt.”

Am Vortag hatte die 20-jährige Frida Holm Skoglund berichtet, wie sie mit einer Schussverletzung im Bein mehr als eine Stunde im eiskalten Tyrifjord geschwommen war und vor Kälte nur schwer atmen konnte. Die zierliche, junge Sozialdemokratin mit kleinem Blumenkranz im Haar hatte gebeten, dass der Massenmörder Anders Behring Breivik bei ihrer Aussage den Saal verlassen solle.

Der 33-jährige Rechtsradikale und Islamhasser hörte dann aus einem Nebenraum, was diese Überlebende in den Monaten nach dem Höllenerlebnis am meisten quälte, während sie sich von schweren Bein- und Hüftverletzungen erholte: “Ich war auf Utöya Delegationsleiterin für meinen Bezirk und habe die drei Jüngsten verloren.”

Die vergangenen Monate seien psychisch wieder sehr schwierig gewesen, weil die Aussage vor Gericht näher rückte. Was Frida Holm Skoglund nicht hinderte, am Ende ihrer Aussage eine Botschaft direkt an den Attentäter zu richten: “Wir haben gewonnen, er hat verloren. Und die norwegische Jugend kann schwimmen.” Breivik hatte erklärt, er habe auch Hunderte Jugendliche eigentlich dadurch umbringen wollen, dass sie auf der Flucht im Fjord ertrinken.

Menschliche Momente im Massaker: Hilfe unter Jungen Leuten

“Es war gut, einfach mal wieder einer unter vielen zu sein und nicht der Überlebende von Utöya”, berichtete Lars Grönnestad (20) über den Studienbeginn im Frühjahr. Er hatte miterleben müssen, wie auf der verzweifelten Flucht vor Breiviks Schüssen sein bester Freund Andreas getroffen wurde und starb. Grönnestad selbst bekam eine Kugel in den Rücken, die in der Lunge steckenblieb. Schwer verletzt versteckte er sich in einer Felsspalte und schmierte das Gesicht mit Erde ein, um möglichst nicht aufzufallen.

Für Zuhörer im Gerichtssaal klangen manche Zeugenschilderungen wie von einer Großwildjagd aus Sicht angeschossener Tiere. Die Überlebenden berichteten davon mit größter Sachlichkeit. Und immer wieder von gegenseitiger Hilfe unter den jungen Leuten.

“Ich finde es erstaunlich, wie klar sich diese Zeugen erinnern können”, meinte Staatsanwältin Inga Bejer Engh. Sie sei persönlich stark beeindruckt. Versteinert und offenbar unbeeindruckt folgte Breivik den Leidens- und Überlebensgeschichten der jungen Leute aus dem sozialdemokratischen Sommerlager. Ina Rangönes Libak schloss ihre Aussage mit einer Erinnerung an “all die fantastischen, positiven, starken Menschen, die wir für immer verloren haben”.

Sie hat eine Examensprüfung wegen des Gerichtstermins auf August verschoben. Staatsanwalt Svein Holden sagte nach ihrer sehr lebendigen Aussage: “Du wirkst wie eine Person mit einer überdurchschnittlich positiven Lebenseinstellung, trotz allem, was du durchgemacht hast.” Frohes Lachen, auch das der Angesprochenen, erfüllte den Gerichtssaal 250.

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