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St.-Pölten-Madrilene Daniel Segovia: "Kraft gegen Qualität" und der Karma-Faktor

Der gebürtige Madrilene Daniel Segovia spielt seit fünf Jahren in Österreich.
Der gebürtige Madrilene Daniel Segovia spielt seit fünf Jahren in Österreich. ©APA/Georg Hochmuth, AFP Photo/César Manso, AFP Photo/Pierre-Philippe Marcou
Daniel Lucas Segovia lernte beim Madrider Kultklub Rayo Vallecano das Kicken und hat den SKN St. Pölten heuer in die Bundesliga geschossen. Für VIENNA.at analysiert der Spanier das Champions-League-Finale zwischen Real und Atlético Madrid.
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Wer in Madrid dieser Tage die Sportgazzetten Marca oder AS durchblättert, dem schlagen die Jubelmeldungen über den spanischen Fußball nur so entgegen. Letzte Woche der Hattrick des FC Sevilla in der Europa League, mittlerweile steht die zwar krisengebeutelte, aber fußballverrückte Stadt längst ganz im Zeichen des Champions-League-Finales zwischen Real und Atlético.

Die Arbeitsplätze mögen nach wie vor knapp sein, die Begeisterung der Madrilenen ist vor dem Stadtderby am Samstag (20:45 Uhr, live auf ORF eins, ZDF, SRF 2, Sky und im VIENNA.at-Liveticker) im Mailänder San-Siro-Stadion dennoch grenzenlos. Die Erfolge der Kicker drängen den harten Alltag in dem Land mit der zweithöchsten Arbeitslosenquote der EU zumindest zeitweise in den Hintergrund und lassen die Fans erhobenen Hauptes und mit breiter Brust durch die frühlingswarmen Straßen Madrids ziehen.

Ein Madrilene analysiert die Madrider Großklubs

Zum zweiten Mal in den letzten drei Jahren stehen sich im Endspiel um Europas Klubfußball-Krone Real und Atlético gegenüber. Madrid ist erneut Kick-Hauptstadt des Kontinents. “Die Klubs haben vor einigen Jahren begonnen, junge Eigengewächse einzubauen und nachhaltiger zu arbeiten”, erklärt uns mit St. Pöltens Goalgetter Daniel Lucas Segovia ein waschechter Madrileño. Aufseiten Reals sind etwa Rechtsverteidiger Daniel Carvajal sowie die Offensivspieler Lucas Vázquez und Jesé Rodríguez zu nennen, bei Atlético zum Beispiel Mittelfeldmotor Koke und Shootingstar Saúl Ñíguez. “Gemeinsam mit den Stars formen sie nun Mannschaften die nur ganz schwer zu schlagen sind”, so Segovia.

Der Mittelstürmer wurde 1985 in Madrid geboren und feierte diese Woche nicht nur seinen 31. Geburtstag, sondern auch den Aufstieg mit St. Pölten in die Bundesliga. Seit fünf Jahren spielt der Spanier bereits in Österreich, vor zwei kehrte er nach Ups und Downs bei der Admira und in Wolfsberg in die niederösterreichische Landeshauptstadt zurück und schoss den SKN diese Saison mit 19 Toren wieder in die höchste Spielklasse.

Den spanischen Fußball hat er freilich nie aus den Augen verloren, vor allem die Geschehnisse rund um die Klubs aus seiner Heimatstadt verfolgt er intensiv. Für uns der perfekte Gesprächspartner, um sich dem Champions-League-Finale 2016 aus Expertensicht anzunähern.

Segovia: “Ich rechne mit einem engen Spiel mit wenig Toren”

Dabei schlägt Segovias Herz für die “Colchoneros” aus dem Süden der spanischen Hauptstadt. “Ich bin Atlético-Fan – und das, obwohl ich unweit des Bernabéu-Stadions zu Hause bin.” Das Stadtderby um die Krone in der Königsklasse wird er sich dort zu Gemüte führen. Am Freitag ging es mit Freundin Miriam in den wohlverdienten Urlaub in der Heimat.

“Es wird ein Spiel Kraft gegen Qualität”, bringt Segovia die Unterschiede in den Philosophien beider Vereine auf den Punkt. Der Arbeiterklub Atlético lehnt sich einmal mehr gegen die “Königlichen” mit ihrer imposanten Trophäensammlung auf. Segovia erwartet dennoch kein Duell David gegen Goliath: “Ich rechne mit einem engen, umkämpften Spiel und wenig Toren”, prophezeit der 1,89-Meter-Mann.

Die Entwicklung Atléticos unter Vollblut-Trainer Diego Simeone beeindruckt auch ihn: “Es ist schon verrückt was er geschafft hat!” Als Mittelständler übernahm der argentinische Ex-Profi die “Matratzenmacher” Ende 2011 – und führte sie binnen weniger Jahre zurück in die europäische Klubelite. Europa-League und europäischer Supercup-Sieg 2012, spanischer Cupsieger 2013 und der Meistertitel 2014. “Sie verteidigen als Block, dort kämpft jeder für jeden. Das ist vielleicht nicht der schönste Fußball, aber wenn dir dieser Stil Titel einbringt, ist das genauso zu respektieren.”

Real: Mit dem Zidane-Effekt zur “Undécima”?

Während Simeone mittlerweile von praktisch allen Experten als absoluter Weltklasse-Trainer anerkannt wird, coacht sein samstägiges Gegenüber noch nicht einmal ein halbes Jahr auf allerhöchstem Niveau. Anfang Jänner wurde Zinédine Zidane zum Nachfolger des unbeliebten Rafael Benítez – mittlerweile mit Newcastle aus der englischen Premier League abgestiegen – befördert, bis dahin hatte der franzöische Ex-Star die Geschicke des Zweitteams Castilla, wo er ÖFB-Talent Philipp Lienhart unter seinen Fittichen hatte, geleitet.

“Man hat gesehen, dass die Mannschaft Benítez nicht wollte. Zidane hingegen genoss von Anfang an den Respekt der Spieler, wie auch früher Ancelotti. Außer dass James Rodríguez und Isco deutlich weniger gespielt haben, hat Zidane ja auch nicht viel anders gemacht als Benítez, doch plötzlich stellten sich die Siege ein. Das zeigt wieder einmal,wie sehr Fußball Kopfsache ist”, analysiert Segovia Atléticos Erzrivalen. Tatsächlich brachte Zidane Real zurück ins Meisterrennen, vom Zeitpunkt seines Engagements bis zum Saisonende holten die Madrilenen vier Punkte mehr als Champion Barcelona.

Atléticos offene Rechnung mit dem Fußballgott

Am Samstag hofft Zidane, es seinem Vor-Vorgänger gleich zu machen. Ancelotti holte in seiner ersten Saison als Real-Trainer die “Décima”, den zehnten Champions-League-Titel der Klubgeschichte. In jenem Finale vom 24. Mai 2014 sah Atlético nach 92 Minuten und 47 Sekunden der Spielzeit wie der Sieger aus, als Sergio Ramos Real plötzlich mit einem wuchtigen Kopfball in die Verlängerung rettete. Dort ließ der Rekordchampion einem gebrochenen Gegner keine Chance mehr und gewann schließlich mit 4:1.

Viele sind seither der Meinung, Atlético hätte beim Fußballgott noch etwas gut. Und auch wenn er zugibt, dass ihm “der Spielstil von Real besser gefällt”, sagt Segovia: “Ich glaube an das Karma und hoffe, dass Atlético gewinnt.” Auch, weil die “Colchoneros” auf ihrem Weg ins Finale mit Barcelona und Bayern München zwei der besten Mannschaften der Welt aus dem Bewerb geworfen haben. “Sie hätten es sich einfach verdient!”

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