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SPÖ am Scheideweg: Wahlkampfstart in Graz

Die SPÖ blickt einem politischen Herbst entgegen, der für sie eine unerfreuliche Wende bringen könnte.
Die SPÖ blickt einem politischen Herbst entgegen, der für sie eine unerfreuliche Wende bringen könnte. ©APA/Hans Punz
Die SPÖ startet in Graz offiziell in den Wahlkampf für die Nationalratswahl am 15. Oktober. Für die kriselnden Roten könnte der politische Herbst eine unerfreuliche Wende bringen.

Die SPÖ startet am Donnerstag nun auch offiziell ihren Wahlkampf. Die Sozialdemokraten versammeln sich dafür in der Grazer Stadthalle. Hauptprogrammpunkt ist eine rund dreiviertelstündige Rede von Parteichef und Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ). Im Anschluss ist ein Fest für die 3.500 Teilnehmer der Veranstaltung geplant.

Der Event in Graz dient zwar formal als Wahlkampfauftakt, doch ist der Spitzenkandidat der Sozialdemokraten schon länger im Land unterwegs. Quasi der Aufgalopp der Veranstaltung war eine Tour durch Österreich unter dem Titel “Kern unterwegs”.

SPÖ in der Abwärtsspirale

Für die SPÖ könnte der politische Herbst nach der Nationalratswahl eine unerfreuliche Wende bringen. Fliegt man aus der Regierung und verliert man das Kanzleramt, droht ein dramatischer Machtverlust. Denn dann blieben der machtbewussten österreichischen Sozialdemokratie gerade noch drei Landeshauptleute und die Führung von Arbeiterkammer und Gewerkschaft.

Die vergangenen Jahre verliefen für die SPÖ zäh. Blickt man auf die gerade auslaufende Legislaturperiode zurück, wurde während dieser in keinem einzigen Bundesland ein prozentueller Zuwachs erreicht. Selbst erfolgsverwöhnte Landesparteien wie jene im Burgenland und in Wien mussten mit Einbußen leben. Dass man in der Bundeshauptstadt das Ergebnis trotz deutlicher Verluste bejubelte, nur weil die SPÖ recht deutlich vor der FPÖ blieb, zeigt schon die geänderten Ansprüche.

Historische Negativmarke in Vorarlberg

In Vorarlberg rutschte die SPÖ 2014 erstmals in ihrer Geschichte bei einer Landtagswahl unter die 10-Prozent-Marke. Mit gerade einmal 8,8 Prozent lag man in der Wählergunst ganz im Westen nur noch auf Platz vier, weit abgehängt nun auch von Grünen und Freiheitlichen. Für die Partei insgesamt noch dramatischer ist der Absturz im wählerstarken Industrieland Oberösterreich, wo die SPÖ im September 2015 auf nur noch 18,4 Prozent kam und hinter der FPÖ landete. Dazu ging die traditionelle Hochburg Wels mittlerweile an die Freiheitlichen verloren.

Für das Kuriosum der vergangenen Jahre sorgte die steirische SPÖ. Wiewohl sie trotz starker Verluste als erste aus der Landtagswahl im Mai 2015 hervorging, verzichtete der scheidende Landeshauptmann Franz Voves darauf, für seine Partei zumindest eine Halbzeitlösung in der Landeshauptmann-Frage auszuverhandeln. Seither regiert man als stimmenstärkere Partei quasi als Juniorpartner der ÖVP.

Niederlage bei der Bundespräsidentenwahl

Auch im Bund wollte es für die SPÖ seit der vergangenen Nationalratswahl nicht so wirklich laufen. Bei der EU-Wahl 2015 versuchte man sich mit einem vor allem anfangs ungeschickten Quereinsteiger aus dem ORF als Spitzenkandidat. Eugen Freund brachte schließlich mit seinen Kollegen 24,1 Prozent zusammen, ein schlankes Plus von 0,4 Prozentpunkten und Platz zwei deutlich hinter der ÖVP.

Es sollte noch schlimmer kommen. SPÖ-Kandidat Rudolf Hundstorfer musste sich bei der Bundespräsidentenwahl im Vorjahr mit 11,3 Prozent begnügen, womit die Hofburg nach zwölf Jahren für die SPÖ verloren war. Dieses Debakel konnte nicht einmal der für seine Steher-Qualitäten bekannte Parteichef und Kanzler Werner Faymann politisch überleben. In einem für die österreichische Sozialdemokratie einmaligen Akt wurde der Parteivorsitzende bei der 1. Mai-Kundgebung am Wiener Rathausplatz gnadenlos ausgepfiffen. Kurz danach musste sich Faymann dem Druck der Länder beugen und schaffte gerade noch einen halb-freiwilligen Rückzug.

Machtverlust der Wiener Roten

Interessant an den damaligen Vorgängen ist auch die Machtverschiebung innerhalb der Sozialdemokratie. Nicht mehr die Wiener SPÖ diktierte das Geschehen, sondern die übrigen Länderorganisationen, die deutlich an Selbstbewusstsein gewannen, an vorderster Front der an sich zurückhaltende, aber dennoch entscheidungsfähige und populäre Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser. Die Länderspitzen waren es auch, die den damaligen ÖBB-Chef Christian Kern zum Parteivorsitzenden und Kanzler designierten, während Wiens Bürgermeister Michael Häupl Medienmanager Gerhard Zeiler bevorzugt hätte.

Dass Wien nicht mehr das unumstrittene Machtzentrum der SPÖ ist, hängt auch mit dem weiter ungelösten Richtungs- und damit verbundenen Personalstreit in der Bundeshauptstadt zusammen. Häupl gelang es zuletzt nicht mehr, die Dissonanzen zwischen linkem und rechtem Flügel zu überdecken. Ob hier eine friedvolle Lösung nach Häupls Abgang kommendes Jahr möglich sein wird, bleibt abzuwarten. Noch übler sieht es freilich in Salzburg aus, wo der langjährige Stadtchef Heinz Schaden seinen Posten nach einer erstinstanzlichen Verurteilung in der Swap-Causa räumt und der designierte Nachfolge Bernhard Auinger gleich eine schwierige Wahl zu schlagen hat. Luxusprobleme, denkt man da möglicherweise in Graz. Denn in der steirischen Hauptstadt kam die ehemalige Bürgermeister-Partei heuer nur noch auf zehn Prozent.

Bei Wahlniederlage in Opposition

Geradezu paradiesisch ist aus SPÖ-Sicht St. Pölten. Bürgermeister Matthias Stadler baute im Vorjahr seine absolute Mehrheit auf 59 Prozent noch aus. Zu den Gewinnern der Umwälzungen in der Sozialdemokratie gehört der burgenländische Landeshauptmann Hans Niessl, dessen Wort mittlerweile gehört wird, wenn auch nicht überall gerne. Seine Koalition mit den Freiheitlichen gegen einen geltenden Parteitagsbeschluss war quasi der Aufgalopp für eine grundsätzliche Entscheidung, wie es die SPÖ künftig mit der FPÖ hält. Verständigt hat man sich halbherzig auf einen Kriterienkatalog für künftige Koalitionspartner, der eine Zusammenarbeit mit den Freiheitlichen zur Option macht.

Sollte die SPÖ wie derzeit in den Umfragen prognostiziert nicht Platz eins erreichen, könnte sich die Diskussion fürs erste ohnehin erübrigen. Denn Kern hat ja die Devise ausgegeben, dass der Gang in die Opposition die Folge eines Abrutschens von der Spitze der Wählergunst wäre. Freilich ist alles andere als fix, dass er in diesem Fall überhaupt der Partei erhalten bliebe. Auch die von ihm zahlreich in Regierungsämter gehievten Quereinsteiger dürften auf einen Platz im Nationalrat eher verzichten und in ihre prestigereicheren Brotberufe zurückkehren.

(APA, Red.)

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