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Sparvermögen von Migranten Entwicklungsspritze für Herkunftsländer

Das Sparvermögen von Migranten besitzt ein hohes, bisher noch ungenutztes Potenzial, neben den Auslandsüberweisungen die Entwicklung der Herkunftsländer zu fördern. Das sagen Vertreter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSCE) und der Internationalen Organisation für Migration (IOM).

Anlass dazu gab eine Regionalkonferenz der beiden Organisationen zum Thema, die am 10. und 11. Dezember in Wien stattfindet.

“Migranten sind ein mächtiger finanzieller Faktor für ihr Herkunftsland”, erklärt Pier Rossi-Longhi, Leiter des IOM-Kooperationszentrums für Europa und Zentralasien. Bisher habe sich deren Beitrag zur Entwicklung des Heimatlandes auf die als “Remittances” bezeichneten Auslandsüberweisungen beschränkt, die man als “Auswanderungssteuer” verstehen könne. Deren Volumina sind enorm und betragen in manchen Ländern die Hälfte des BIP, betont Goran Svilanovic, OSCE-Koordinator für Wirtschafts- und Umweltaktivitäten. “Gehen die Remittances zurück, wie dies etwa für russische Geldflüsse nach Tadschikistan und Kirgistan dokumentiert wurde, überträgt sich auch die Krise wie per Dominoeffekt an diese Länder.”

Migranten halten Großteil ihres Ersparten zurück

Mittlerweile weiß man jedoch, dass sich Remittances nur bedingt als längerfristige Entwicklungshilfe eignen. “Studien zeigen, dass das gesendete Geld sofort konsumiert statt in die Wirtschaft investiert wird”, berichtet IOM-Projektsentwicklerin Tanja Dedovic. Ein höheres, noch ungenutztes Potenzial könnte das Sparvermögen der Migranten darstellen. “Bei in Westeuropa lebenden Diasporagemeinschaften aus Südosteuropa zeigt sich, dass sie nur einen geringeren Teil ihres Einkommens in die Heimat zurücksenden, während bis zu 40 Prozent des Monatseinkommens auf Konten von Banken des Ziellandes verbleiben”, betont Rossi-Longhi.

Die Schlüsselrolle für dieses von der OSCE und IOM vorgeschlagene Modell liegt bei den kommerziellen Banken in den Herkunftsländern. “Sie müssten attraktive Produkte für Migranten schaffen, damit sie Anleihen von Investmentprojekten in ihrer Heimat erwerben können. Würden die regionalen Banken oder die nationalen Regierungen das Risiko dafür übernehmen, können sie gleichzeitig von einem Liquiditätsschub profitieren”, so der IOM-Experte. Wenngleich noch zu erheben sei, wie solche Anlagen in Entwicklung investiert werden können, sei von diesem finanziellen Ansatz mehr Schlagkraft zu erwarten als von humanitärer Hilfe.

Fehlendes Vertrauen in Heimatbanken

Die nächsten Donnerstag anlaufende Konferenz bringt Vertreter von Regierungen, kommerziellen Banken, Zentralbanken, Internationalen Organisationen und Diaspora-Organisationen in Dialog, um Voraussetzungen und Umsetzbarkeit dieses Modells zu erheben. Änderungen scheinen dafür sowohl auf Banken- als auch auf Gesetzebene nötig. “Es gilt noch zahlreiche Hindernisse zu überwinden. Es hat gute Gründe, warum Migranten ihr Geld nicht in den Herkunftsländern aufheben, wie etwa fehlendes Vertrauen in dortige Banken. Auch sind solche Geldtransfers bisher noch zu teuer”, erklärt Dedovic. Besonders in mehreren Ländern operierende Banken hätten allerdings bisher bereits Interesse an dem Vorschlag gezeigt und wollten dessen Möglichkeiten prüfen.

Das Ziel der Überlegungen der Experten ist die Stabilität der Herkunfts- und Zielländer. “Mit der Wirtschaftskrise und dem damit verbundenen Rückgang der Remittances verschlechtert sich die soziale Situation vieler Herkunftsländer. Ohne kontinuierliche Weiterentwicklung werden vermehrt Menschen versuchen, ihren Lebensunterhalt anderswo zu verdienen”, so Dedovic. Svilanovic macht darauf aufmerksam, dass jegliche Entwicklungsinitiative auf Basis von Ersparnissen auf Ausgewogenheit achten müsse. “Übermäßiges Sparverhalten verschlechtert die Integration in Westeuropa, da es Einschränkungen im Lebensstil bedeutet”, so der OSCE-Sprecher. Bei den relativ hohen Sparquoten unter der Diaspora würde es allerdings ausreichen, wenn Migranten nur einen Bruchteil ihrer Ersparnisse im Heimatland anlegen, um den gewünschten Liquiditätsschub zu produzieren.

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