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Spannweite und Schrittlänge erklären "Wunder"

"Es ist ein Vergnügen, ihm zuzuschauen", kommt selbst Österreichs Leistungsdiagnostiker Hans Holdhaus bei Usain Bolt ins Schwärmen.  

Drei Auftritte, drei Weltrekorde – der Sprinter aus Jamaika lief bei Olympia in Peking schneller als jeder zuvor und öffnete Spekulationen und Verdächtigungen Tür und Tor. “Es sind Superleistungen von Bolt. Es gibt nicht irgendein Anzeichen von irgendetwas. Man muss zur Kenntnis nehmen, dass es immer wieder Ausnahmesportler gibt. Und das Pendant zu Bolt ist Phelps”, sagte Holdhaus, der auch Österreichs führender Anti-Doping-Experte ist.

Was Bolt auf dem Land, das ist Michael Phelps im Wasser. Acht Goldmedaillen holte sich der 23-jährige Schwimmer aus Baltimore im Pekinger “Water Cube”, sieben davon mit Weltrekord. “Wenn du den ins Wasser schmeißt, dann schwimmt er. Seine Wasserlage ist sensationell und von Haus aus perfekt. Das kann man nicht antrainieren. Von der Konstitution, vom Körperbau her ist er dafür prädestiniert”, versucht Holdhaus das Wunder Phelps zu erklären. “Allein die Spannweite seiner Arme misst über zwei Meter (Anm./2,04), was er damit für Durchzugsmöglichkeiten hat, damit ist keiner vergleichbar. Und mit Schuhgröße 48,5 hat er sowieso halbe Flossen. Das sind alles Dinge, die perfekt zusammenpassen.”

Holdhaus hat den 1,92 Meter großen Phelps schon oft im Olympischen Dorf herumspazieren sehen und muss schmunzeln, wenn er sich das Bild vor Augen ruft. “Er wirkt total patschert. Du würdest bei diesen Bewegungen nie hergehen und glauben, dass er das Nonplusultra ist.” Das Nonplusultra im Wasser. Denn: “In einer anderen Sportart würde er kläglich versagen, er hat das ja alles probiert.” Dasselbe trifft übrigens auch auf Bolt zu: “Er ist nur in einer Schnellkraftsportart vorstellbar. Jamaika hat noch nie Ausdauersportler hervorgebracht. Die Athleten aus der Karibik waren immer hervorragend im Sprint- und Sprungbereich.”

In Universitäts-Untersuchungen wurde in den Muskeln von 70 Prozent der getesteten Kurzstrecken-Athleten aus Jamaika “Actinen A”, ein in den Muskelfasern angesiedeltes körpereigenes Protein, das für die schnelle Kontraktion von Muskelfasern verantwortlich ist, gefunden. Bei einer australischen Gruppe waren es hingegen nur 30 Prozent. “Da ist was dran. Es bestätigt, dass er genetisch andere Voraussetzungen hat. Und wenn die zu einer bestimmten Tätigkeit passen, dann wird man dort besser. Ich kenne die Forschungen, sie stecken aber noch in den Kinderschuhen. Grundsätzlich ist die Theorie aber bestätigt”, erklärte Holdhaus.

Dazu kommt, dass der 1,96 m große 22-jährige Usain Bolt wie Phelps schlichtweg für seinen Sport perfekt gebaut ist. “Wenn man sich die Beinlänge und die Proportionen der Unter- und Oberschenkel anschaut, aus biomechanischer Sicht ist das perfekt. Er gewinnt bei jedem Schritt zehn Zentimeter, die Hebelverhältnisse sind so günstig, er braucht nicht mehr die Kraft, die andere brauchen. Das sind perfekte Voraussetzungen. Über 200 Meter kommt es noch deutlicher durch, weil der Lauf viel länger dauert”, beschreibt Holdhaus die Vorzüge. “Mit seinem Schritt ist er leichtfüßig unterwegs, das ist ein komplett neuer Typ Sprinter. Ben Johnson und andere, unabhängig vom Doping, das waren reine Muskelpakete. Bolt ist leichtfüßig und ein im Vergleich dazu schmächtiger Athlet.”

Schrittlänge hin, Gen her. Geht es nach Vater Wellesley Bolt dann kommt die Schnelligkeit aus der Urkraft der Erde. Von der im Nordwesten Jamaikas wachsenden “Trelawny”-Kartoffel.

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