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Spanische Armee stürmt Perejil-Insel

Sechs Tage nach der Besetzung durch marokkanische Soldaten hat das spanische Militär die unbewohnte Mittelmeer-Insel Perejil gewaltsam geräumt.

Eliteeinheiten erstürmten am Mittwoch im Morgengrauen das felsige Eiland und nahmen sechs oder sieben marokkanische Soldaten gefangen. Sie wurden ihrem Land übergeben. Die Operation sei ein Erfolg gewesen, niemand sei verletzt worden, teilte die Regierung in Madrid mit. Wenige Stunden zuvor hatte Spanien aus Protest gegen die Besetzung seinen Botschafter aus Marokko für unbestimmte Zeit abberufen.

Eine offizielle Reaktion auf die Intervention gab es aus Rabat zunächst nicht. Eine der Parteien der Regierungskoalition kritisierte das spanische Vorgehen aber als „Kriegserklärung“, berichtete der Rundfunk. Auf diese Weise dürften Probleme nicht gelöst werden. Die spanische Regierung hatte nach eigenen Angaben vor der Intervention den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen sowie seine Verbündeten informiert. Außenministerin Ana Palacio telefonierte mit ihren Kollegen aus den USA, Frankreich, wie es weiter hieß. Auch König Juan Carlos und die politischen Parteien seien unterrichtet worden.

Ebenso wie Spanien hatten die EU und die NATO den sofortigen Abzug der marokkanischen Soldaten gefordert. Deren erste, aus Gendarmen bestehende Einheit war am Dienstag durch reguläre Truppen ersetzt worden. Noch am Dienstagabend hatten beide Länder betont, sie wollten die Krise auf diplomatischem Wege lösen. Die Regierung in Madrid betonte in einer Erklärung, sie sei weiter an fruchtbaren und freundschaftlichen Beziehungen zu Marokko interessiert. Zu diesem Zweck bot Spanien dem Land sofortige Gespräche an.

Unterdessen verstärkte Spanien den Schutz seiner an Marokko grenzenden Nordafrika-Exklaven Ceuta und Melilla. Die Lage sei aber ruhig, hieß es. Der Flugverkehr über beiden Städten mit insgesamt 130.000 Einwohnern wurde eingeschränkt. Die spanischen Luftwaffen- Stützpunkte im ganzen Land sind in erhöhter Bereitschaft. An der Operation unter dem Kommando eines Admirals waren Eliteeinheiten der Armee und der Marine beteiligt. Auch sechs Hubschrauber und zwei U-Boote waren im Einsatz. Spanien hatte zudem sechs Kriegsschiffe in das Gebiet entsandt.

Die Insel liegt 200 Meter vor der Küste in marokkanischen Hoheitsgewässern. Sie war Spanien 1668 von Portugal zugesprochen worden. Rabat beharrt aber darauf, dass sie mit der Unabhängigkeit 1956 an das nordafrikanische Königreich zurückgefallen ist. Dort wird sie „Leila“ genannt. Spanien hat zwar eingeräumt, dass die Souveränität über das Eiland völkerrechtlich unklar ist.

Rabat habe mit der Einnahme aber ein stillschweigendes Abkommen aus den 60-er Jahren verletzt, wonach keines der beiden Länder die Insel dauerhaft militärisch besetzen darf. Marokko müsse seine Soldaten deshalb abziehen und damit den alten Zustand wiederherstellen, hatte es immer wieder geheißen. Rabat hatte erklärt, auf der Insel solle ein ständiger Beobachtungsposten im Kampf gegen Terroristen und Menschenschmuggler in der Meerenge von Gibraltar eingerichtet werden.

Der gegenwärtige Inselstreit ist vor dem Hintergrund des seit über einem Vierteljahrhundert andauernden Westsahara-Konflikts zu sehen, zu dem in Kürze eine Entscheidung des UNO-Sicherheitsrates fällig ist. Marokko, das die Westsahara besetzt hält, verübelt der ehemaligen Kolonialmacht Spanien das Festhalten am Prinzip eines Selbstbestimmungs-Referendums. Madrid hat die jüngsten US-amerikanischen Pläne für eine Autonomie der Westsahara innerhalb Marokkos erfolgreich durchkreuzt.

Der spanische Ministerpräsident Jose Maria Aznar hatte US-Präsident George W. Bush im Mai dargelegt, warum Madrid weiter an der Notwendigkeit einer Volksabstimmung in der Westsahara festhält. Er machte deutlich, dass Madrid einem anderen Weg zur Lösung des Konfliktes nur zustimmen könne, wenn beide Seiten – die marokkanische Führung und die Polisario-Befreiungsfront – damit einverstanden wären.

Jede Entscheidung – ob Autonomie innerhalb Marokkos oder Aufteilung der Westsahara -, die einer der beiden Seiten aufgezwungen werde, hätte die Fortdauer des Konflikts zur Folge. Vor den atlantischen Küsten der Westsahara wird neben reichen Fischvorräten auch Öl vermutet. Es sind vor allem amerikanische und französische Petrofirmen, die von Rabat mit den Sondierungsarbeiten betraut wurden.

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