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Spanien: Wahlsieger Terrorangst?

„Das Szenario ist beunruhigend. Ich hätte mir lieber ein neutrales Umfeld gewünscht", meint ein spanischer Politikwissenschafter nach dem Wahlabend.

Er deutet an, was viele Experten denken: Diese Wahl wurde nicht von Programmen, von Inhalten, von Personen entschieden, sondern von einem Phänomen – dem Terrorismus.

Es war ein Votum, das geprägt war von der Terrorangst, von dem Gefühl der Wähler, dass Spanien von den Islamisten abgestraft wurde wegen der Treue seiner Regierung zu den USA, die Kriege gegen den Terrorismus führen. Folglich präsentierten die spanischen Bürger ihrer Regierung, die ihnen weismachen wollte, nicht die internationale Terrormacht El Kaida stehe hinter dem Blutbad von Madrid, sondern die „hauseigene” baskische ETA, die „Wahl-Abrechnung”.

Weit drastischer als der spanische Experte drückt sich Antoine Basbous, der Direktor des Beobachtungszentrums des Arabischen Raums in Frankreich, aus. Er spricht von einer „verheerenden Wirkung für die Demokratien”. Das Amalgam von Ideen, die den islamistischen Kampf nähren, sei zu fürchten. „Osama bin Laden will diesen Krieg, diese Zerrissenheit.” Bisher wurden Anschläge in Afrika und Asien durchgeführt, in Tunesien, Marokko, Kenia, Indonesien. Jetzt aber sei der Auftakt in Europa erfolgt, so Basbous.

Vor allem die europäischen Partner der US-Kriegskoalition scheinen gefährdet. Lautstarke Unterstützung für die US-Militärpolitik durch politische Führer, sei es Tony Blair, Silvio Berlusconi oder Jose Maria Aznar, macht den eigenen Bürgern zunehmend Angst. Who is next? lautet die bange Frage. Italien, das ein stattliches Gruppenkontingent im Irak hat, wird neben Großbritannien am häufigsten genannt. Auch Polen oder Bulgarien könnten unter „Bürgerdruck” geraten.

Das Wahlergebnis in Spanien hat aber auch gezeigt, dass politische Führer auf Dauer nicht gegen den Willen ihres Wählervolks regieren können. 90 Prozent der Spanier waren gegen den Irak-Krieg, und auch die Mehrzahl der Briten machte ihre Ablehnung in Protesten deutlich. Man kann davon ausgehen, dass viele der zwei Millionen Jungwähler gegen das Irak-Engagement, die ETA-These und damit gegen die Volkspartei (PP) votierten.

Doch nicht nur deklarierte Kriegs-Freunde Amerikas leben gefährlich. Auch Frankreich könnte der Bannstrahl der Islamisten treffen, meint etwa der Islam-Experte Peter Scholl-Latour, da sich dieses Land im Kopftuch-Streit sehr exponiert hat. Das Kopftuch könnte „ein Zündfunke” werden. Und US-Außenminister Colin Powell beeilte sich bereits zu erklären, dass auch ein Land wie Deutschland, ein erklärter Gegner des Irak-Krieges, nicht vor dem islamistischen Terror gefeit sei.

Deutschland ist ein weiterer Fall, wo die Haltung zum Irak-Krieg mitentscheidend für den Wahlausgang war. Gerhard Schröders Sozialdemokraten gewannen die Bundestags-Wahl, wenn auch knapp, trotz einer anhaltenden Wirtschaftskrise. Aznars Konservative verloren den Urnengang, obwohl sie wirtschaftspolitisch beachtliche Erfolge aufzuweisen haben. Der Umgang mit der Krise, die nicht zu rechtfertigenden Schuldzuweisungen an die ETA – das kreideten ihnen die Wähler an.

Die bisher regierende PP stellte den Anspruch einer starken Regierung im Anti-Terror-Kampf. „Der Schutzschirm der Regierung hat angesichts dieser Tragödie (mit 200 Toten) versagt”, so der Journalist Carlos Carnicero. PSOE-Chef Jose Luis Rodriguez Zapatero, der überraschende Wahlsieger, nannte den Kampf gegen den Terrorismus als Priorität. Wie will er es anstellen, dass ihm ein Abzug aus dem Irak nicht als Kapitulation vor dem Terror ausgelegt wird? Laut einem PP-Sprecher verdankt die PSOE ihren Sieg dem „Schock der Terroranschläge”. Dies allein wäre jedenfalls für ein Regierungsprogramm zu wenig.

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