Souveränität oder Rosinenpickerei
Frau Claudia Gamon, NEOS-EU-Abgeordnete, legt in ihrem Artikel ihre Finger in eine seit Jahren klaffende Wunde bei der Schweizer Bevölkerung. Der Beitritt der Schweiz zur EU wurde mit den bilateralen Verträgen erst einmal „verhindert“. Dies unter anderem deshalb, weil die Schweiz ihre Nationalstaatlichkeit sehr hochhält und eine funktionierende Demokratie lebt. Die Bevölkerung steht einer Öffnung zur EU und deren pro-europäischen Kräften sehr skeptisch gegenüber. Viele der Errungenschaften, welche über Jahrzehnte gewonnen wurden, stärken die Unabhängigkeit dieses Landes.
Die von der EU zu übernehmenden Rechte und Pflichten sind einseitig und spiegeln den politischen Zustand der EU wieder. Es ist ja ohnehin nur einer Handvoll von EU-Ländern welche die Marschrichtung vorgeben, alle andere sind Ja-Sager, die aus wirtschaftlichen
Gründen den EU-Verträgen zustimmen müssen.
Die Meinungen über die bilateralen Verträge sind bei der Schweizer Bevölkerung sehr unterschiedlich. Für viele Bürger sind die augenfälligsten negativen Merkmale die EU-Zuwanderungs- und Flüchtlingspolitik. Dass damit das gesamte Sozialsystem mittelfristig ins Wanken gerät, ist absehbar und trifft alle. Dazu droht eine Überfremdung, durch legale oder illegale Einwanderung, mit der man im täglichen Leben konfrontiert ist. Nachteile bei den Handelsbeziehungen, der Bildung und Forschung wären im Einzelnen wohl in Kauf zu nehmen. Andere Probleme, wie die Übernahme des EU-Rechts oder die wirtschaftlichen Auswirkungen auf den Finanzplatz Schweiz sind grundsätzlicher Natur und auch als solche zu behandeln. Dass es der EU gut tun würde einmal ein zahlungskrätiges Land aufzunehmen, darüber herrscht wohl kein Zweifel. Aber eine „Milchkuh“ bekommt man eben nicht geschenkt! Da alle neuen EU-Verträge ohnehin einer Volksab-stimmung der Eidgenossenschaft unterworfen sind, ist eine demokratische Abstimmung garantiert.
Es ist aber befremdend wenn sich eine österreichische EU-Abgeordnete anmasst, die Politik eines Nachbarstaates zu kritisieren, wenn sie selbst aus einer Republik kommt, deren derzeitigen innenpolitischen Zustände einen weitaus kritischeren Blick bedürfen.
Dip.Ing. R. Schmidt