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So bleibt Wien tiefrot

©APA/GEORG HOCHMUTH
Gastkommentar von Johannes Huber. Die SPÖ bekommt Unterstützung von überraschender Seite: der Bundesregierung.

Was Wiens SPÖ-Chef und Bürgermeister Michael Ludwig im Hinblick auf die Gemeinderatswahl im kommenden Jahr zu hören bekommen hat, war schlimm: ÖVP und FPÖ hätten alle Hoffnungen aufgegeben, die Führung über die Stadt übernehmen zu können, hieß es vor Weihnachten. Und wirklich: Heinz-Christian Strache (FPÖ) ließ verlauten, dass es nicht mehr sein Ziel sei, Bürgermeister zu werden. Gerüchte, Kanzleramtsminister Gernot Blümel (ÖVP) werde als Vize von Ludwig ins Rathaus wechseln, machten die Runde. Und zwar so, dass man meinen konnte, es sei schon fix.

Für Michael Ludwig ist all das eine mittlere Katastrophe gewesen: Gefährlicher als ein Bürgermeister-Kandidat Strache ist für ihn kein Bürgermeister-Kandidat Strache. Damit steht er zwar ohne Herausforderer da. Einen solchen Herausforderer braucht er aber. Zur Mobilisierung der Wähler nämlich.

Seit Menschengedenken spielt die SPÖ damit: Wer Jörg Haider verhindern möchte, muss rot wählen, teilte die Partei auf Bundesebene jahrelang mit. Später warnte sie vor Schwarz-Blau und zuletzt in Wien eben auch vor Strache. 2015, am Höhepunkt der Flüchtlingskrise, war das besonders wirkungsvoll. Ergebnis: Noch unter der Führung von Micheal Häupl verlor sie zwar, erreichte mit 39,6 Prozent aber mehr als erwartet. Grund: Nicht zuletzt auch tausende „Grüne“ hatten sich zur HC-Strache-Verhinderung wieder einmal auf ihre Seite geschlagen.

Das verdeutlicht, vor welchem Szenario Ludwig nun vor Weihnachten gestanden ist: Bei der Gemeinderatswahl 2020 wäre ohne Herausforderer für ihn zu klar gewesen, dass er im Amt bleibt. Das wiederum hätte dazu geführt, dass weit weniger Leute das Gefühl gehabt hätten, sie müssten ihn bzw. die SPÖ halt noch einmal wählen. Herausgekommen wäre wohl ein eher bescheidendes SPÖ-Ergebnis.

Umso dankbarer darf Ludwig für die jüngsten Entwicklungen sein: Strache ist zurückgerudert. Er könnte doch Bürgermeister-Kandidat werden. Das ist das eine. Zumindest ebenso wichtig ist für Ludwig jedoch, dass sich Regierungsmitglieder neuerdings fast schon täglich provozieren lassen: Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) bezeichnete sein Angebot, die Polizei zu übernehmen, als „Faschingsscherz“. Auch die Forderung, die ganze Stadt zu einer Waffenverbotszone zu erklären, wies Kickl zurück. Nichts jedoch gegen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), der die rot-grüne Blockade gegen die Mindestsicherungsreform mit der Behauptung quittierte, dass in Wien immer weniger Menschen in der Früh aufstehen würden, um arbeiten zu gehen.

Da hat Michael Ludwig plötzlich wieder die Gegner, die er für einen Wahlerfolg braucht: In dem einen Fall kann er ein „Sicherheits-Match“ mit Kickl inszenieren. Und in dem anderen Fall kann er sich als Schutzpatron dagegen aufspielen, Bürgerinnen und Bürger der Stadt als faul darzustellen. Das ist fast schon mehr, als er sich wünschen kann.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik

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