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Sind „Gutmenschen“ so dumm?

Flüchtlinge werden am Wiener Westbahnhof auch von Freiwilligen versorgt.
Flüchtlinge werden am Wiener Westbahnhof auch von Freiwilligen versorgt. ©APA
Gastkommentar von Johannes Huber. Flüchtlinge brauchen Erste Hilfe – und dann eine korrekte Prüfung. Dagegen kann es doch nichts einzuwenden geben.

Tausende Flüchtlinge drängen ins Land. Viele Österreicher sagen, man müsse ihnen helfen. Zahlreiche tun das auch. Doch ein paar stehen da und reden von „Gutmenschen“ oder dergleichen, die ganz schön naiv, ja dumm seien: Wer alle reinlasse, werde sehen, dass letzten Endes umso mehr nachfolgen würden. Und überhaupt handle es sich um Menschen, die ausschließlich aus wirtschaftlichen Gründen daherkämen. Vor allem aber seien auch radikale Islamisten, also Terroristen, darunter. Soll heißen: Wir marschieren, so die freiheitliche Nationalratsabgeordnete Dagmar Belakowitsch-Jenewein, „in Richtung eines Bürgerkriegs“ – Dank all jener, die Flüchtlinge so bereitwillig aufnehmen, wohlgemerkt!Tatsächlich? Was wäre die Alternative? Wir befinden uns in einem Notstand: Syrer, Afghanen und Iraker können in ihrer Heimat nicht mehr leben. Lager in ihrer Nachbarschaft sind hoffnungslos überfüllt. Also können sie nicht anders, als sich übers Mittelmeer oder über den Balkan in Sicherheit zu bringen. Zumal sie dort aber in größter Gefahr sind, wie die vielen Bilder von ertrunkenen oder erstickten Frauen, Männern und Kindern zeigen, ist es für jeden, der die Möglichkeit dazu hat, eine Pflicht, ihnen zu helfen. Alles andere hieße, sie unter Umständen dem Tod zu überlassen.

Notwendige Maßnahmen, wie ein Kampfeinsatz gegen den „Islamischen Staat“ im Nahen Osten, die dazu dienen könnten, Fluchtgründe zu beseitigen, erspart das nicht. Aber das sind Dinge, die sich auf die Schnelle nicht umsetzen lassen. Und Hilfe ist jetzt nötig. Nicht irgendwann: Jetzt geht es darum, das oberste Menschenrecht, das keine Grenzen kennt, zu gewährleisten; nämlich jenes auf Leben.

Dass sich unter den Flüchtlingen potenzielle Terroristen befinden, ist möglich. Die Antwort darauf, alle abzuweisen, wäre unter den erwähnten Gründen jedoch ein Verbrechen: Es würde auf ein Todesurteil für Unzählige hinauslaufen.

Die Genfer Flüchtlingskonvention legt fest, wer schutzbedürftig ist. Und das ist auch dann zu beachten, wenn der Andrang noch so groß ist. Wer es ernst meint mit der Regelung, schaut sehr genau darauf, dass sie eingehalten wird. Das ist eine Riesenaufgabe für Gerichte und Sicherheitsbehörden; sie müssen ihr jedoch nachkommen. Und zwar ordentlich. Alles andere wäre widersinnig – und würde die gesamte Flüchtlingskonvention erübrigen.

Vielleicht sind viele Konflikte um die Asylfrage, die es heute in Österreich gibt, genau vor diesem Hintergrund zu sehen: Dass man zu lange schlampig gewesen ist, in Zentren wie Traiskirchen unerträgliche Verhältnisse förderte, Verfahren ewig andauern ließ und eine Abweisung von Antragstellern, die grundsätzlich gerechtfertigt gewesen wäre, aufgrund vorbildlicher Integration dann irgendwann einmal nicht mehr durchgeführt werden konnte. Unter diesen Umständen ist das Asylrecht ad absurdum geführt worden.

All das ist aber nicht die Schuld der „Gutmenschen“, sondern vielmehr einer zynischen Politik, der im Übrigen auch das verächtlichmachende Unwort „Gutmensch“ entsprungen ist. Und die mit der aktuellen Situation mehr schlecht als recht zurande kommt, während die Erste Hilfe an Orten wie dem Westbahnhof, die von engagierten Bürgern getragen wird, so reibungslos funktioniert.

Johannes Huber betreibt die Seite dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.

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