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"Sex! Pol! Energy!": Sexualforscher Wilhelm Reich im Jüdischen Museum

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Erstmals umfassender Blick auf psychoanalytische, sexualpolitische und bio-energetische Phase des umstrittenen Wissenschafters - Ab 16. November.

Für die 68er war er der “Vater der sexuellen Revolution”, die Generation darauf nutzte seine Theorien als Grundlage für die Entwicklung der Körpertherapie. Die Arbeit des Psychoanalytikers und Sexualforschers Wilhelm Reich blieb aber stets umstritten. Seinen Nachlass ließ der 1897 in Galizien, damals Teil der k.u.k.-Monarchie, geborene Reich verschließen. “2007 wird die Menschheit reif sein für meine Arbeit”, wurde Reich heute (Donnerstag) bei einem Pressegespräch im Jüdischen Museum in Wien zitiert. Dort hat die Kuratorin Birgit Johler den geöffneten Nachlass erstmals umfassend der Nachwelt zugänglich gemacht. Ab 16. November ist die Schau “Sex! Pol! Energy!” zu sehen.

Weit mehr als 300 Objekte wurden im zweiten Stock des Jüdischen Museums nach drei thematischen Schwerpunkten angeordnet, erklärte Johler. Zu Beginn steht die Psychoanalyse, der sich Reich nach dem Ersten Weltkrieg in Wien mit Begeisterung widmete. In den 1920er Jahren bald zum “schillernden Star” der Wiener Psychoanalytischen Gesellschaft aufgestiegen, für den selbst Sigmund Freud großes Lob übrig hatte, zerstritt er sich bald mit dem Gründervater. Schuld daran waren nicht zuletzt seine Orgasmustheorie und die Ablehnung der Todestriebstheorie von Freud. 1934 wurde Reich aus der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung ausgeschlossen.

Zu dieser Zeit war Reich, im Bestreben einer Synthese von Marxismus und Psychoanalyse, bereits stark sexualpolitisch tätig. Er forderte “eine Sexualität frei von äußeren Zwängen”, erläuterte Johler, womit er sich schon früh gegen bürgerliche Moralvorstellungen und patriarchalische Strukturen wandte. Seine sexualpolitische Plattform “Sexpol” war jedoch so konfliktträchtig, dass er es sich auch mit den Sozialdemokraten und der Kommunistischen Partei verscherzte. Nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler im Jahr 1933 flüchtete Reich nach Dänemark und später nach Norwegen, wo er sein “Institut für sexualökonomische Lebensforschung” gründete.

Schließlich bei Kriegsausbruch in die USA geflüchtet, beginnt der dritte thematische Schwerpunkt der Ausstellung – und wohl auch die umstrittenste Phase im Leben Reichs. Er begann mit der Forschung über körpereigene Energie (Orgon) und biophysikalischen Experimenten, baute Orgon-Akkumulatoren und Regenmacher und versuchte, so unvoreingenommen wie nur möglich und entlang der Grenze zwischen Wissen und Nichtwissen zu neuen Erkenntnissen zu gelangen. In dieser Phase, aus der etwa ein spannender Briefwechsel mit Albert Einstein erhalten ist, lebte Reich bereits sehr isoliert. Als er in den 50er Jahren das Verbot zum Handel mit seinen Orgon-Akkumulatoren missachtete, wanderte er ins Gefängnis, wo er 1957 einem plötzlichen Herztod erlag.

Ziemlich genau 50 Jahre nach dem Tod des Forschers am 3. November wird die “außergewöhnliche Wissenschaftsbiografie” (Johler) nun übersichtlich und gut geordnet der Öffentlichkeit präsentiert. Da Reich die meiste Zeit seines Lebens im Labor verbracht habe, habe man versucht, “die Laboratmosphäre hervorzuheben”, betonte Alexander Kubik, der für die Architektur der Ausstellung verantwortlich zeichnet. Insgesamt bleibt die Schau größtenteils recht textlastig, abwechselnd Briefe, Bücher und Schriften erlauben jedoch einen differenzierten Einblick in das Schaffen und Wirken des unbändigen Geistes. Fotografien, eine CD mit Helmut Qualtingers “Mein Kampf”-Lesung sowie thematisch passende Filme runden die Schau ab.

Zusätzlich ist in einem Sonderraum die ebenfalls textreiche Installation “GottTeufelÄther” von Oz Almog zu sehen, der sich nach eigenen Angaben “auf eine Reise von Reich und mir durch die sieben Departments der Hölle” begeben hat. Die meisten Exponate der Ausstellung wurden vom US-amerikanischen Wilhelm Reich Infant Trust und den beiden Töchtern des Forschers, Eva Reich und Lore Reich Rubin, zur Verfügung gestellt.

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