Serbische Regierung will "Ersatzabgeordnete"
Damit soll eine reibungslose Parlamentsarbeit gesichert werden.
Die Idee beruht wohl auf der knappen Mehrheit, über welche die
Regierungsparteien mit 128 von 250 Abgeordneten im Parlament
verfügen.
Nicht nur einmal war bisher die Annahme eines Gesetzes in Gefahr,
weil gleichzeitig mehrere Abgeordnete der Regierungskoalition
notgedrungen abwesend waren. Es war daher auch in den letzten Jahren
schon wiederholt vorgekommen, dass die Abgeordneten direkt aus dem
Krankenbett zur Abstimmung ins Parlament geholt wurden. Abgesehen von
der kleinen Liberaldemokratischen Partei (LDP) des einstigen
Vizepremiers Cedomir Jovanovic ist die Parlamentsopposition zur Zeit
für keinen von der Regierung vorgeschlagenen Gesetzesentwurf zu
gewinnen, mag dieser noch so gut sein. Ganz im Gegenteil. Vor allem
die ultranationalistische Serbische Radikale Partei (SRS) ist nach
Kräften bemüht, die Parlamentsarbeit zu blockieren.
Die Abgeordneten der Regierungskoalition seien zur Zeit
verpflichtet, ihren Krankenurlaub nicht zu nutzen. Auch einige
Parlamentskolleginnen mussten gleich nach der Entbindung ins
Parlament zurückkehren, erläuterte Nada Kolundzija Medien gegenüber
die Idee. “Dies ist nicht fair”, meint die Klubchefin der
Demokratischen Partei des Staatschefs Boris Tadic.
Die Idee über den “Ersatzabgeordneten” traf unterdessen auf
scharfe Kritik des nichtstaatlichen Zentrums für freie Wahlen und
Demokratie CESID. Auf eine solche Idee konnte man nur in einem System
wie jenes in Serbien kommen, wo die Parteien “allmächtig” seien und
der Abgeordnete unwichtig sei, meinte der CESID-Mitarbeiter Marko
Blagojevic. “Die Idee legte die ganze Ohnmacht der Abgeordneten und
die ganze Macht der Parteien an den Tag. Sie zeigt, dass jeder
einzelne Abgeordnete ersetzbar ist.”
Die Idee des “Ersatzabgeordneten” birgt in sich auch eine andere
Gefahr. Jeder Abgeordnete, dessen Meinung nicht gänzlich mit jener
der Partei identisch ist, könnte nach Ansicht von Blagojevic künftig
einfach ersetzt werden. “Dies würde die Glaubwürdigkeit des
Parlamentes zerstören”, warnt der CESID-Mitarbeiter. Schon jetzt wird
das Parlament wegen einer anderen, sehr umstrittenen Praktik der
Parteien kritisiert. Die Parlamentsparteien zwingen nämlich ihre
Abgeordneten, vor dem Amtsantritt ihren Rücktrittsantrag zu
unterzeichnen. Dieser wird von der Partei aktiviert, sollte sich der
Abgeordnete zu einem Clubwechsel entscheiden.
Wie der Idee der Regierungskoalition zu entnehmen war, würden der
Abgeordnete und sein Ersatzmann finanziell gut abschneiden, für den
Staat würden jedoch bedeutende Mehrkosten anfallen. Zwar würde jede
Parlamentspartei offensichtlich nur zwei oder drei “Ersatzleute”
parat haben, in der Praxis würde aber das bereits große Parlament um
einige Dutzend Leute erweitert werden.