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Schweizer Studie: Fünf von sechs Corona-Infizierte bleiben unerkannt

Auch die Todesrate würde sich laut den Wissenschaftlern auf unter 1 Prozent verringern.
Auch die Todesrate würde sich laut den Wissenschaftlern auf unter 1 Prozent verringern. ©APA/dpa/Christophe Gateau
Laut einer Genfer Studie blieben in der Schweizer Region Genf fünf von sechs Corona-Infizierte unerkannt. Laut Antikörpertests seien über 5 Prozent der Bevölkerung bereits infiziert gewesen.

Eine wissenschaftliche Studie mit Antikörpertests aus Genf weist für diese Schweizer Region eine "Durchseuchung" mit SARS-CoV-2 bei breit getesteten Personen von 5,5 Prozent aus. Das würde bedeuten, dass im Vergleich zu den offiziellen Zahlen fünf von sechs Infektionen nicht erkannt werden und die Sterblichkeitsrate durch Covid-19 deutlich geringer als bisher angenommen ist, erklärte ein Experte.

Die Wissenschafter von der Universitätsklinik in Genf untersuchten 760 Personen mit Antikörpertests. Sie kamen aufgrund ihres statistischen Modells auf eine Seroprävalenz (Antikörper gegen SARS-CoV-2) von geschätzten 5,5 Prozent in der Bevölkerung im Raum Genf, wie sie Mittwoch berichteten. Die Studie ähnelte einer ersten derartigen Untersuchung in Österreich, die vor einigen Tagen vorgestellt wurde.

Fünf von sechs Corona-Infizierte bleiben unerkannt

Allerdings, 5,5 Prozent nachweisbarer Kontakt mit SARS-CoV-2 ist relativ hoch. "Die Schweiz ist ja auch relativ stark von SARS-CoV-2/Covid-19 betroffen", sagte der Grazer Gesundheitswissenschafter Florian Stigler gegenüber der APA. Das könnte den Vorteil einer besseren Aussagekraft bieten, weil die Rate der falsch positiven Tests (Spezifität der Testverfahren) nicht mehr gravierend sei. Bei einer sehr geringen SARS-CoV-2-Durchseuchung können die Fehler der Tests mitunter sogar mehr falsch positive Ergebnisse als echte positive Resultate mit sich bringen. Dann fehlt jede Aussagekraft.

Jedenfalls schätzten die Wissenschafter die Zahl der SARS-CoV-2-Betroffenen im Kanton Genf auf rund 27.000. Laut dem Schweizer Epidemiologen Marcel Salathe dürfte das bedeuten, dass man bisher fünf von sechs Infizierten nicht erkannt hat. Das spricht für eine hohe Dunkelziffer, aber auch dafür, dass die Infektionen zum größten Teil ohne Symptome verlaufen.

Sterblichkeit von unter 1 Prozent

Freilich, da die Sterblichkeit durch Covid-19 nur anhand der vorliegenden positiven Tests auf das Coronavirus berechnet werden können, sind Zahl und Auswahl der Getesteten Einflussgrößen, welche die Interpretation stark beeinflussen können. Wie es zu den von der US-Johns Hopkins University berichteten unterschiedlichen Sterblichkeitsraten kommt, ist unklar: Für Belgien wurde beispielsweise eine Case Fatality Rate von 14,9 Prozent berechnet, für die Niederlande eine von 11,6 Prozent, für Deutschland 3,5 Prozent und für Österreich 3,4 Prozent.

Salathe geht aufgrund der Studie in Genf von einer Covid-19-Sterblichkeit von weniger als einem Prozent aus. Das ergibt sich aus dem breiten Kreis der Getesteten, eben nicht zuvorderst Covid-19-Patienten. Das sei aber noch immer zehn Mal mehr als die Influenza-Mortalität, hat er auf Twitter angemerkt.

Unsicherheit bei der Berechnung

Doch auch die Berechnungen aus Genf sind mit Unsicherheit belastet. Der Wiener Gesundheitsökonom Thomas Czypionka (IHS) erklärte dazu gegenüber der APA: "Das sogenannte Konfidenzintervall ist relativ groß. Das bedeutet, dass das Ergebnis wackelig ist." Die Schweizer Wissenschafter gehen nämlich von einer Schwankungsbreite der SARS-CoV-2-Durchseuchung in Genf und Umgebung zwischen 3,3 und 7,7 Prozent aus. Der mittlere Wert sei eben 5,5 Prozent. Je größer das Konfidenzintervall, desto unsicherer wird die Angelegenheit.

Die erste Stichprobenuntersuchung aus Österreich, die über das Marktforschungsinstitut Sora und das Rote Kreuz gelaufen ist, hat ebenfalls eine große Bandbreite ergeben: In Österreich hat es demnach Anfang April zusätzlich zu den Erkrankten in Spitälern zwischen 10.200 und 67.400 mit SARS-CoV-2 Infizierte gegeben. Der wahrscheinlichste Wert lag bei 28.500 Infizierten, was 0,33 Prozent der Bevölkerung entsprach. Das war das Ergebnis der repräsentativen Stichprobenuntersuchung von 1.544 Österreichern, das Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) bekannt gab.

(APA/red)

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