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Schweden ist das neue Vorbild

Nimmt Österreich den "schwedischen Weg" - Durchseuchung?
Nimmt Österreich den "schwedischen Weg" - Durchseuchung? ©LEAL-OLIVAS / AFP
Gastkommentar von Johannes Huber. Österreich steuert auf die schlimmste Phase der Corona-Pandemie zu. Schuld ist eine Politik, die keine Verantwortung mehr tragen will.

Die jüngsten Prognosen des Gesundheitsministeriums sind katastrophal: Schon Mitte November könnten in den Spitälern ähnliche Verhältnisse herrschen wie im vergangenen Herbst. Es ist nicht ausgeschlossen, dass in den Krankenhäusern vom Boden- bis zum Neusiedlersee dann mehr als 3000 Corona-Patienten auf einer Normal- und über 600 auf einer Intensivstation liegen werden. Natürlich: Solche Vorhersagen sind schon oft daneben gelegen, wahrscheinlicher ist, dass die Zahlen etwas niedriger sein werden. Es empfiehlt sich jedoch, mit dem Schlimmsten zu rechnen. Zumal nichts darauf hinweist, dass die Zahlen in absehbarer Zeit sinken werden; sie werden eher weiter stark steigen.

Die Politik erweckt bei alledem einen katastrophalen Eindruck: Unterm Strich setzt sie plötzlich auf einen schwedischen Weg, der zugespitzt – und nicht korrekt - formuliert gerne auch mit Durchseuchung gleichgesetzt wird. Koste es, was es wolle. Unter Altkanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ist das vorgezeichnet worden: Für Geimpfte sei die Pandemie vorbei, erklärte er im Sommer. Und: Ungeimpfte würden sich anstecken. Im besten Fall hatte er damit beabsichtigt, sie zum Impfen zu motivieren. In jedem Fall geht es jedoch voll daneben.

Erstens: Auch Geimpfte stecken sich an. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie so schwer erkranken, dass sie ins Spital müssen, ist vergleichsweise klein, ihre Anzahl ist jedoch steigend. Vor allem haben so viele Ungeimpfte eine stationäre Behandlung notwendig, dass die Kapazitäten knapp werden. Zweitens: Es gibt so gut wie keinen Impffortschritt. Kaum jemand konnte in den vergangenen Wochen und Monaten motiviert werden. Noch immer sind keine zwei Drittel der Gesamtbevölkerung geimpft. Ziel waren ursprünglich 80 Prozent.

Löblich ist, dass der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) weiterhin größte Entschlossenheit zeigt, auch unpopuläre Maßnahmen zu ergreifen. Im Frühjahr hatte er einen Lockdown in der Ostregion durchgesetzt. Seither gibt es in der Stadt auch mehr PCR-Tests als in allen anderen Bundesländern zusammen. Jetzt, eine Minute vor zwölf, versuchen sie verzweifelt, nachzuziehen. Genauso wie bei strengeren Regeln wie der FFP2-Maskenpflich im Handel. Und bald wohl auch bei der 2-G-Regel für die Gastronomie, die Ludwig gestern verkündet hat.

Schlecht ist, dass die Bundespolitik vollkommen daneben steht. Oder unentschlossen ist. Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) und Gesundheitsminister Wolfgang Mücksten (Grüne) trauen oder wollen sich nicht über das Versprechen von Sebastian Kurz hinwegsetzen, dass die Pandemie mehr oder weniger überstanden sei. Also können sie sich nicht dazu durchringen, nachzuschärfen und selbst bei einer absehbaren Überlastung des Gesundheitssystems allenfalls auch zu einem Lockdown zu schreiten. Einen solchen kann sich niemand wünschen. Er wäre unpopulär. Die Alternative ist aber, eine Triage, sehr viel Leid und auch Todesfälle zu riskieren.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik

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