Hinter einer Kirchenfassade wohnen und arbeiten ist in Wien nicht nur dem Klerus möglich, sondern auch profanen Studierenden: In der im Zweiten Weltkrieg zerstörten Schwarzspanierkirche im Bezirk Alsergrund befindet sich bereits seit 1966 das Albert-Schweitzer-Haus. Jetzt wurde mit dem Studentenheim auch die mächtige Barockfassade des einstigen Sakralbaus restauriert.
Bereits seit dem 1. März bevölkern wieder 177 Studierende Wiens erstes Studentenheim, das beiden Geschlechtern Obdach bot. Die Arbeiten am Büro- und Veranstaltungstrakt unmittelbar hinter der Kirchenfassade sollen im September abgeschlossen werden. Dann werden hier etwa die Diakonie Österreich, die evangelische Akademie und die evangelische Hochschulgemeinde Wien ihren Hauptsitz beziehen.
Die offizielle Eröffnung als Abschluss der zehn Mio. Euro teuren Modernisierung ist für den 8. November geplant. Dann sind auch Veranstaltungssäle in der Anlage mietbar, die als öffentliches Wohnzimmer und Ort des Diskurses dienen sollen, so Organisatorin Charlotte Matthias im APA-Gespräch. Dazu gehört ein 100 Quadratmeter großer Raum, der sich in der einstigen Kapelle der Schwarzspanierkirche befindet und noch deren Kreuzdeckengewölbe aufweist – abgesehen von versprengten Kapitellen in den Büros das einzige Rudiment der alten Kirche nebst der mächtigen Fassade.
Die Klosterkirche aus dem frühen 18. Jahrhundert war 1861 mit Zustimmung von Kaiser Franz Joseph zur Evangelischen Garnisonkirche umgewidmet worden. Die einstigen Bauherren, Benediktinermönche, wegen ihrer dunklen Tracht Schwarzspanier genannt, gaben Kirche und Straße ihren heutigen Namen. Seit Auflösung des Klosters befand sich das Gebäude ab 1781 im Besitz des Militärs und wurde nach Entfernung des Turmes und der Inneneinrichtung als Bettenmagazin genützt. Erst 1861 wurde das im Volksmund als Flöhmagazin bekannte Gebäude wieder zur Kirche geweiht.
Nach dem Ersten Weltkrieg überließ die republikanische Regierung die Schwarzspanierkirche 1920 schließlich der Evangelischen Pfarrgemeinde Innere Stadt. 1939 wurde der Bau dann erneut Militärkirche für die protestantischen Angehörigen der Wehrmacht. Durch einen Luftangriff 1944 wurde das Gebäude allerdings unbenützbar.
Nach dem Ende des Krieges nutzte die US-Militärseelsorge den provisorisch hergerichteten Sakralbau zwar, eine Wiederherstellung nach Abzug der Truppen 1955 wurde aus Kostengründen aber verworfen. So wurde das Kirchenschiff bis 1964 abgetragen – lediglich die Hauptfassade blieb erhalten. Diese wurde in das stattdessen errichtete Studierendenheim integriert, das 1966 unter dem Namen Albert-Schweitzer-Haus seinen Betrieb aufnahm.