"Wir (...) sind hochrealistisch und genau darum hochalarmiert. Unser Anliegen ist: (...) ein schnellstmöglicher Stopp des Krieges in der Ukraine, der täglich das Land mehr verwüstet und immer mehr Vergewaltigungsopfer und Tote fordert", meinte sie gegenüber dem "Standard".
"Rote Linie zu einem Atomkrieg"
Weiters fordere man "die absolute Vermeidung der Überschreitung der roten Linie zu einem Atomkrieg", so Schwarzer in dem schriftlichen Interview weiter. "Innerhalb von nur vier Tagen ist unser Brief auf change.org von über 200.000 Menschen unterzeichnet worden. Das zeigt die Stimmung im Land." Bisher habe "die veröffentlichte Meinung nicht die öffentliche Meinung" reflektiert, meinte sie. "Das hat sich durch unseren offenen Brief geändert. Endlich wird über diese für uns alle lebenswichtige Frage diskutiert."
Der vergangenen Freitag veröffentlichte Offene Brief war vom österreichischen Künstler und Medientheoretiker Peter Weibel initiiert worden. Er fordert im Kern den deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz auf, sich für einen baldigen Waffenstillstand in der Ukraine einzusetzen, und verurteilt deutsche Waffenlieferungen an die Ukraine. Zudem warnt es vor einem möglichen Atomkrieg mit Russland.
Viel Kritik an Brief
Neben Weibel und Schwarzer hatten unter anderem die Schriftsteller Martin Walser und Juli Zeh oder der Liedermacher Konstantin Wecker das Schreiben unterzeichnet. Der Brief rief viel Kritik hervor. In der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitung "Die Zeit" veröffentlichten daraufhin mehrere andere deutschsprachige Intellektuelle, darunter Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller und die aus Österreich stammenden Autoren Eva Menasse und Daniel Kehlmann, einen "Gegen-Brief", der sich für Waffenlieferungen ausspricht.
Schwarzer hatte am Mittwochabend in Wien an der Premiere des von ihrem Leben handelnden Dokumentarfilms "Alice Schwarzer" der österreichischen Filmemacherin Sabine Derflinger teilgenommen. Am Rande der Veranstaltung wollte sie jedoch auch auf Anfrage der APA hin keine Fragen zum Offenen Brief bzw. zum Ukraine-Krieg mündlich beantworten.
Warnung vor nuklearer Eskalation
"Der Krieg kann nicht ewig gehen", sagte Schwarzer am Donnerstagabend in der "ZiB2" des ORF. Die Feministin warnte davor, sich in einen Dritten Weltkrieg hineinziehen zu lassen. Denn jetzt sei nicht "die Stunde der Helden, sondern die Stunde der Nachdenklichen", postulierte Schwarzer. Scholz forderte sie auf, den "Weg der Besonnenheit" weiterzugehen. Nun sei die Zeit für Verhandlungen, urgierte Schwarzer, die meinte das der russische Präsident Wladimir Putin in eine Lage versetzt werden sollte, in der er nicht "sein Gesicht verliert". Zudem warnte Schwarzer vor einer nuklearen Eskalation. Ex-ÖVP-Außenministerin Ursula Plassnik entgegnete, dass der Brief nicht an Scholz, sondern an Putin gerichtet hätte sein sollen. Sie betonte, dass jedem Land im Falle eines Angriffskriegs "Hilfe zur Selbsthilfe" geleistet werden sollte.
Nach dem umstrittenen Offenen Brief wandten sich am Mittwoch Intellektuelle mit einem Gegenbrief an Scholz. "Es liegt im Interesse Deutschlands, einen Erfolg des russischen Angriffskriegs zu verhindern. Wer die europäische Friedensordnung angreift, das Völkerrecht mit Füßen tritt und massive Kriegsverbrechen begeht, darf nicht als Sieger vom Feld gehen", hieß es in dem Aufruf, den "Die Zeit" veröffentlicht hatte.
Prominente Unterzeichner
Unterzeichnet wurde der Brief etwa von der österreichischen Autorin Eva Menasse, dem deutsch-österreichischen Schriftsteller Daniel Kehlmann, Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller, dem russischstämmigen deutschen Autor Wladimir Kaminer, dem deutschen Publizisten und ehemaligen Grünenpolitiker Ralf Fücks, der früheren Leiterin der Stasi-Unterlagenbehörde Marianne Birthler, dem Verleger Mathias Döpfner oder dem österreichischen Migrationsforscher Gerald Knaus.
(APA)