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Schrecken ohne Ende

Der heutige Gastkommentar von Johannes Huber.
Der heutige Gastkommentar von Johannes Huber. ©APA/GEORG HOCHMUTH
GASTKOMMENTAR VON JOHANNES HUBER. Versagen der Politik in der Corona-Bekämpfung trübt nicht nur den Frühling, sondern gefährdet auch den Sommer. 

Die zweite Welle war heftiger als die erste, und wer gemeint hat, Österreich habe gelernt daraus, der hat sich getäuscht: Die dritte Welle ist in Teilen des Landes noch größer. Wien verzeichnet bereits mehr Corona-Patientinnen und -Patienten auf der Intensivstation als jemals zuvor. Und weil die Zahl der Neuinfektionen noch nicht deutlich zurückgegangen ist, werden es in den nächsten ein, zwei Wochen noch mehr werden. Das Prognosekonsortium des Gesundheitsministeriums rechnet mit einem Anstieg auf 259 bis zum 7. April. Das wären dann fast vier Mal mehr als Ende Februar.

Die Politik lässt sich diese Dramatik nicht anmerken. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat sich in den vergangenen Tagen zurückgezogen und es Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) überlassen, die Landeshauptleute der Ostregion für Beschränkungen zu gewinnen. Was für sich genommen schon eine Zumutung ist: Hier geht es nicht darum, ob Michael Ludwig (Wien), Johanna Mikl-Leitner (NÖ) und Hans Peter Doskozil (Burgenland) bereit sind für irgendetwas; laut Verfassung hätte Anschober festzulegen, was notwendig erscheint – und sie hätten einzig und allein zu gehorchen. Punkt. 

Rot-weiß-rote Realverfassung ist jedoch, dass die Landesfürsten regieren und sich ein Gesundheitsminister so etwas nicht traut. Im konkreten Fall ist das tragisch, um nicht zu sagen katastrophal.

Was Ludwig, Mikl-Leitner und Doskozil zu verantworten haben, ist, die Pandemie mit all ihren Kollateralschäden bis weit in den Sommer hinein zu verlängern: Sie haben einen harten Lockdown und damit kurzfristig schmerzliche Einschnitte verhindert, das aber führt nur zu einem Schrecken ohne Ende. 

Auf die Idee, eine Woche im Voraus eine Osterruhe von gerade einmal sechs Tagen anzukündigen, muss man unter den gegebenen Umständen erst kommen. Es wird nur durch die Ankündigung übertroffen, sich noch allfällige Reisebeschränkungen zu überlegen: Zehntausende Menschen aus den Bundesländern, die in Wien arbeiten oder studieren, machen sich schon auf den Weg in ihre (alte) Heimat. Alle andere haben ohnehin keine Möglichkeit, in einem Hotel oder sonst wo unterzukommen. 

Sechs Tage Osterruhe sind wiederum so kurz, dass man eine Infektion, die man sich im allgemeinen Sturm auf die Geschäfte unmittelbar davor zuzieht, im schlimmsten Fall erst danach feststellt, wenn man wieder mehr unter Leuten ist, das Virus vielleicht also auch schon wieder weitergereicht hat. Doch lassen wir das.

Vor einem Jahr hat es bei einem harten Lockdown bis Mitte Mai gebraucht, bis auch Lokale wieder aufsperren durften. Diesmal wird es länger dauern. Schon allein, weil die Zahlen viel höher sind. Impfungen wären eine Hoffnung, erfahrungsgemäß sollte man sich diesbezüglich jedoch nicht zu viel erwarten. Noch nicht einmal ein Fünftel der Bevölkerung ist derzeit geschützt. 

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik

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