"Schmerzhaft ist es immer" – Was Frauen bei der natürlichen Geburt erwartet

Rund 70 Prozent aller Geburten in Vorarlberg verlaufen vaginal – und damit auf dem natürlichen Weg. Doch wie schmerzhaft ist eine Geburt wirklich? Welche Komplikationen können auftreten? Und wie lässt sich der Schmerz in den Griff bekommen? Dr. Michael Rohde, Gynäkologe und Geburtshelfer, spricht im VOL.AT-Interview offen über die Herausforderungen.
"Schmerzhaft ist es immer"
"Schmerzhaft ist es immer", stellt Rohde klar. Eine völlig schmerzfreie vaginale Geburt – ohne Medikamente – sei kaum möglich. Dennoch variiere das Schmerzerleben stark: "Es ist sehr unterschiedlich von Gebärdender zu Gebärdender – und hängt auch vom Verlauf der Geburt ab."
Entscheidend sei auch der Kontext: Anders als bei Krankheitsschmerzen gehe es bei der Geburt um etwas Sinnstiftendes.

Der Kopf spielt mit: "Angst ist schmerzfördernd"
Was unterschätzt wird: Die Psyche spielt eine riesige Rolle. "Angst ist schmerzfördernd", sagt Rohde.
Das bedeutet: Je entspannter, sicherer und unterstützter sich eine Frau fühlt, desto besser kann sie mit dem Schmerz umgehen. Genau deshalb sei es Aufgabe von Hebammen und Ärzten, ein vertrauensvolles, angstfreies Umfeld zu schaffen – mit klarer Kommunikation, Anleitung und persönlicher Zuwendung.
Methoden zur Schmerzlinderung
Geburt ist kein Härtetest. Frauen müssen nicht "durchhalten". "Es gibt eine ganze Palette an Möglichkeiten, um Schmerzen zu lindern", so Rohde. Dazu gehören:
- Natürliche Methoden wie Atemtechniken, Positionswechsel, warme Bäder oder Öleinreibungen
- Komplementäre Mittel wie Homöopathie
- Medikamentöse Optionen – von leichten Schmerzmitteln über muskelentspannende Präparate bis zur Periduralanästhesie (PDA)
Die PDA, eine Teilnarkose im unteren Körperbereich, wird besonders häufig eingesetzt. Risiken? "Wie bei jedem medizinischen Eingriff gibt es mögliche Nebenwirkungen", so Rohde. Am häufigsten seien vorübergehende Kopfschmerzen nach dem Eingriff. Schwere Komplikationen seien jedoch extrem selten.
Eine häufige Geburtsverletzung
Viele Frauen fürchten ihn: den Dammriss. Dabei gehört er laut Rohde fast zur normalen Geburt dazu – besonders beim ersten Kind. "In der Mehrzahl der Fälle kommt es zu leichten Verletzungen, die meist problemlos heilen." Höhergradige Risse, die auch den Schließmuskel betreffen, sind seltener – können aber ebenfalls gut versorgt werden.
Ein Dammschnitt (Episiotomie) ist ein gezielter chirurgischer Schnitt zwischen Scheide und After, der während der Geburt gemacht wird, um den Geburtskanal zu erweitern und eine schnelle Entbindung zu ermöglichen. Er wird aber nur dann vorgenommen, wenn das Kind schnell geholt werden muss oder die Frau erschöpft ist und es aus eigener Kraft nicht mehr schafft.
Mögliche Beschwerden nach der Geburt
Auch nach der Geburt können körperliche Beschwerden auftreten:
- Infektionen im Bereich der Gebärmutter oder Brust
- Stärkere Nachblutungen oder verzögerte Rückbildung
- Brustentzündungen bei Stillproblemen
Langfristige Komplikationen – etwa Beckenbodenschwäche oder Inkontinenz – sind laut Rohde heute selten und meist gut behandelbar.
Die vaginale Geburt ist kein Spaziergang – aber für viele Frauen ein zutiefst prägendes Erlebnis. „Es tut weh, ja. Aber es ist ein anderer Schmerz – einer, den man für etwas Sinnvolles auf sich nimmt“, sagt Dr. Rohde. Und genau das, so scheint es, macht die natürliche Geburt trotz aller Herausforderungen so kraftvoll.
(VOL.AT)