Schlimmer als die Impfpflicht

Das Ganze erinnert an Hochzeiten in der Pandemie, als da und dort Mangel herrschte: „Paxlovid“, ein Medikament zu Vermeidung eines schweren Coronaverlaufs, war in den vergangenen Wochen kaum noch erhältlich. Es sei zu wenig beschafft worden, teilte die Apothekerkammer mit. Also hat Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) alle Hebel in Bewegung gesetzt und organisiert, was möglich ist. Ergebnis: 18.000 Packungen für ganz Österreich. Wenn man bedenkt, dass pro Woche allein 40.000 Arbeitnehmer:innen wegen Corona krankgemeldet sind und etwa noch einmal so viele Fälle dazukommen dürften (Kinder, Pensionisten etc.), kann man sich ausmalen, dass das nicht lange reichen wird. Vor allem, weil noch kein deutliches Nachlassen des Infektionsgeschehens in Sicht ist.
Ansonsten schert sich die Politik nicht mehr sichtbar um Corona. These: Das ist schlimmer als die Impfpflicht. Es hat verheerende Folgen.
Die Impfpflicht ist vor zwei Jahren unter dem damaligen Kurzzeit-Kanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) und auf Wunsch der Landeshauptleute vom Boden- bis zum Neusiedlersee angekündigt worden. Und zwar zu einem Zeitpunkt, da schon drei Viertel der dafür in Frage kommenden Menschen geimpft waren. Die Übrigen hat man dadurch zu einem erheblichen Teil zu Gegnern gemacht. „Jetzt erst recht nicht“, lautete ihr Motto: Einen solchen Eingriff in ihre Persönlichkeitssphäre wollten sie sich unter keinen Umständen diktieren lassen.
Dieses Viertel der Bevölkerung diktiert heute die Politik: Herbert Kickl hat sich zu seinem Fürsprecher gemacht. Vor allem damit ist es ihm gelungen, die FPÖ auf Platz eins in allen Umfragen zu bringen. Türkise und Grüne, aber auch Sozialdemokraten und Pinke, die die Impfpflicht schließlich beschlossen haben auf parlamentarischer Ebene, trauen sich gar nicht mehr, das Thema anzusprechen. Selbst Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), der einen Versöhnungsprozess angekündigt hat, macht jetzt doch lieber einen großen Bogen darum.
Also gibt es nicht einmal eine gutgemachte Impfkampagne. Eine solche wäre nach wie vor vernünftig, um all jene für eine Impfung zu gewinnen, die dafür erreichbar sind. Weil es aber eben keine gibt, lässt sich kaum jemand impfen. Weder gegen die Grippe noch gegen Corona.
Das begünstigt ein verstärktes Infektionsgeschehen. Ein solches ist nicht egal: Es führt zu sehr vielen Krankenständen und damit auch einem volkswirtschaftlichen Schaden. Es trägt vor allem aber dazu bei, dass noch immer zu viele Menschen schwer erkranken. Vor allem Ältere. Pro Wochen müssen zurzeit insgesamt rund 30 Männer und Frauen mit Corona auf die Intensivstation gebracht werden.
Zweitens: Es ist davon auszugehen, dass es in Zukunft weitere Pandemien geben wird. Dann wird es wieder darauf ankommen, dass sich eine Masse impfen lässt, sobald es möglich ist. Wenn man die Auseinandersetzung mit Impfungen heute aber so ganz vermeidet sowie Verschwörungstheoretikern und Wissenschaftsfeinden überlässt, kann man das vergessen.
Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik