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Schlepperkriminalität - Immer größeres Risiko für Flüchtlinge

Das Geschäft der Schlepper boomt.
Das Geschäft der Schlepper boomt. ©APA (Symbolbild)
Das Risiko für Flüchtlinge, auf dem Weg nach Mitteleuropa umzukommen, wird immer größer. Laut Robert Crepinko, Schlepperei-Experte der europäischen Polizeiagentur Europol, war 2016 das bisher tödlichste Jahr überhaupt für Migranten im Mittelmeer. "Die Täter kümmern sich nicht um die Sicherheit der Flüchtlinge", sagte Crepinko in Den Haag vor Journalisten.

Crepinko leitet das im Februar 2016 eingerichtete “Europäische Zentrum zur Bekämpfung der Schlepperei” (EMSC). Das Geschäft der Schlepper boomt, auch oder gerade weil viele Routen “de facto” geschlossen sind, wie Crepinko ausführte. Für die Geschleppten heißt das nur, dass die Preise tendenziell steigen und das Risiko größer wird.

Das Drama auf der A4 vom August 2015 mit 71 Toten war ein Indiz. Dass vermehrt Züge, auch Frachtzüge benutzt werden, ist ein anderes. Flüchtlinge reisen mit der Bahn oft unter abenteuerlichen Umständen. Hauptverkehrsmittel in Europa sind aber nach wie vor Lkw.

Österreich als Schlepper-Knotenpunkt

Die wichtigste Route ist nach wie vor jene von Nordafrika nach Italien. Europol hat Tripolis als eines der Zentren identifiziert, von wo aus sich Flüchtlinge auf den Weg nach Europa machen. Über Lampedusa, Sizilien, das italienische Festland und Österreich oder die Schweiz versuchen sie weiter in den Norden zu gelangen. Dementsprechend sind die beiden Alpenländer regelrechte Knotenpunkte für Schlepper.

Schlepperrouten nach und in Europa
Schlepperrouten nach und in Europa

Wichtig ist nach wie vor auch die Balkanroute. Von der Türkei werden viele Flüchtlinge nach Griechenland und von dort über die Balkanländer – einerseits Mazedonien, Serbien oder Kroatien, Ungarn, andererseits Bulgarien, Rumänien, Ungarn – nach und durch Österreich geschleppt. Immer größere Bedeutung erhält der Seeweg von Griechenland durch die Adria nach Slowenien oder Italien.

Schlepper oft auch anderweitig kriminell

Weitere Routen verlaufen vom Russland nach Skandinavien oder Polen in die EU. Nicht zu vergessen ist auch der Weg von Marokko in die spanischen Exklaven Ceuta und Melilla und weiter bei Gibraltar nach Spanien.

Crepinko machte darauf aufmerksam, dass viele Schlepperorganisation in mehreren Sparten der Organisierten Kriminalität unterwegs sind. Typisch sind Kombinationen mit dem Drogenschmuggel und der Einbruchskriminalität. Der EMSC-Chef sprach auch die Verbindungen zu Dokumentenfälschern an, durch deren Arbeit Menschen mit falschen Pässen in die EU geschleust werden.

“Fast alle Schlepper-Gruppen multinational”

Vielfältig sind auch die Nationalitäten der Schlepper: Die Top Ten des Vorjahres der häufigsten Nationalitäten bei Schlepperei-Verdächtigen wurden von Türken, Syrern, Rumänen, Bulgaren, Ägyptern, Irakern, Ukrainer, Polen, Briten und Senegalesen gebildet. Die einzelnen Organisationen sind auch kaum einmal ethnisch homogen. “Fast alle Gruppen sind multinational”, resümierte Crepinko. Die Werbung der Organisationen erfolgt zum Teil über Social Media-Plattformen.

Der Menschenschmuggel in die EU birgt den Europol-Experten vor allem ein großes Sicherheitsrisiko mit sich: “Wir arbeiten eng mit dem European Counter Terrorism Center (ECTC) zusammen”, sagte Crepinko. An den Hotspots der EU-Außengrenzen gehen dementsprechend Beamte des EMSC und des ECTC gemeinsam vor. Ergibt eine erste Überprüfung Ungereimtheiten und ein potenzielles Sicherheitsrisiko bei einem Flüchtling, wird er von den ECTC-Mitarbeitern zu einem genauen Sicherheitscheck gebeten. “Wir haben hunderte und tausende Checks bei terrorverdächtigen Migranten durchgeführt”, sagte Crepinko.

Dass Terrororganisationen wie der IS und Al-Kaida Schlepperorganisationen nutzen, um Kämpfer in die EU zu schleusen, liegt auf der Hand. Den Organisationen ist es schlicht egal, wer sich unter den Geschleppten befindet, solange das Geld stimmt.

Milliardenbusiness Schleppergeschäft

Die Preise richten sich Crepinko zufolge nach dem Aufwand und dem Risiko für die Organisationen. Die Bezahlmethoden sind ebenfalls vielfältig: 2016 bezahlten 64 Prozent der geschleppten Migranten laut Europol in bar, 27 Prozent über alternative Banksysteme. Fünf Prozent arbeiteten den Lohn für die Schlepperorganisationen ab, was zusätzlich zu verschiedensten Formen der Arbeitsausbeutung führt. Vier Prozent ließen sich die Reise von Familienangehörigen finanzieren oder nutzten andere Bezahlwege.

Das Schleppergeschäft ist dementsprechend ein Milliardenbusiness. In einem im vergangenen Mai von Europol und Interpol gemeinsam veröffentlichtem Schlepperreport sprachen die Experten von 3.200 bis 6.500 US-Dollar (2.977,30 bis 6.047,64 Euro), die jeder in die EU geschleppte Migrant im Jahr 2015 aufbringen musste. Das wären etwa fünf bis sechs Milliarden Dollar (4,65 bis 5,58 Mrd. Euro) Umsatz im Jahr 2015. Und es ist ein krisensicheres Gewerbe: “Mehr als 90 Prozent der Migranten, die in die EU kommen, werden dabei unterstützt, meist von Mitgliedern eines kriminellen Netzwerks”, heißt es in dem Bericht.

(APA)

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