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Schlecker stellt offiziell Insolvenzantrag

Unklar, ob es Drogerieriese schafft, eine völlige Pleite abzuwenden
Unklar, ob es Drogerieriese schafft, eine völlige Pleite abzuwenden ©EPA
Die deutsche Drogeriekette Schlecker hat Montagfrüh Planinsolvenz beim Amtsgericht Ulm beantragt.

“Bei uns ist ein unterzeichnetes Fax eingegangen, im Laufe des Vormittags wird der Antrag im Original eingehen”, sagte ein Sprecher des Gerichtes. Danach werde sich der zuständige Insolvenzrichter mit dem Antrag auseinandersetzen. Schlecker hatte ja am Freitag angekündigt, wegen finanzieller Engpässe in die Planinsolvenz zu gehen und sich selbst sanieren zu wollen. Europaweit bangen rund 47.000 Beschäftigte um ihre Jobs.

Überzeugungsarbeit gefordert

Die Spitze von Deutschlands bisher größtem Drogeriekonzern Schlecker muss Überzeugungsarbeit leisten. Gelingt es der Familie und dem Management, die Gläubiger von einem Insolvenzplan zu überzeugen? Erst in den kommenden Wochen und Monaten wird sich entscheiden, ob es der Handelsriese mit dem angekratzten Image schafft, eine völlige Pleite und das Aus für die rund 30.000 Mitarbeiter in Deutschland und weitere 17.000 Beschäftigte im Ausland – darunter 3.000 in Österreich – abzuwenden. Die Folgen der Insolvenz für die Filialen im Ausland sind noch völlig unklar, wie ein Konzernsprecher am Sonntag einräumte.

Wie geht es weiter?

Nach Einbringen des Antrag auf eine Planinsolvenz beim zuständigen Amtsgericht Ulm beginnt jetzt das große Hoffen. Das Verfahren ähnelt dem amerikanischen sogenannten Chapter 11, mit dessen Hilfe sich dortige Unternehmen in weitgehender Eigenregie sanieren, um als Firma erhalten zu bleiben. In Österreich ist damit das 2010 eingeführte Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung vergleichbar. Noch äußert sich Schlecker nicht dazu, wie ein solcher Plan genau aussehen könnte.

Es ist davon auszugehen, dass noch weit mehr Filialen als geplant geschlossen werden. Bisher sollte dieser Prozess Ende des ersten Quartals abgeschlossen sein – mit mehreren hundert weiteren dichtgemachten Filialen, weit über 1.000 seit Anfang des vergangenen Jahres. Zudem werden die Beschäftigten Federn lassen müssen.

Was sind die dringendsten Probleme?

Schlecker selbst hat eine ausgefallene “Zwischenfinanzierung” als Ursache für die Insolvenz genannt. Nach übereinstimmenden Berichten verschiedener Medien und dpa-Informationen ging es um Zahlungen an den Einkaufsverbund Markant. Dieser und andere Gläubiger müssen also dem Sanierungskonzept Vertrauen schenken, so dass frische Ware in die Geschäfte kommt.

Meike und Lars Schlecker hatten im Dezember erklärt, es habe bereits “die eine oder andere Vereinbarung” mit Banken gegeben. Um Investoren zu finden, hat die Drogeriekette angeblich den Ex-Edeka-Chef Alfons Frenk engagiert. Schlecker bestätigte Verhandlungen über einen Einstieg von Finanzinvestoren nicht, über die das “Manager Magazin” berichtet hatte.

Wie sicher sind die Arbeitsplätze?

Bisher hat Schlecker allen Filialschließungen zum Trotz keine betriebsbedingten Kündigungen ausgesprochen. Das Management verlängerte Zeitverträge nicht oder besetzte freiwerdende Stellen nicht neu. Die deutsche Dienstleistungsgewerkschaft ver.di bestätigt das, fordert jetzt aber vollen Einsatz für die allein in Deutschland rund 30.000 Beschäftigten. Eigentlich gilt bis Mitte 2012 ein Beschäftigungssicherungsvertrag – Mitarbeiter können nur gegen eine entsprechende Abfindung ausscheiden. Zumindest die Gehälter sind durch das Insolvenzausfallgeld für die ersten drei Monate des Verfahrens gesichert. In Österreich sieht die Gewerkschaft bis dato noch keinen Grund zur Beunruhigung, wie GPA-djp-Vizechef Karl Proyer der APA am Sonntag sagte. Man stehe in gutem Kontakt mit der hiesigen Geschäftsführung – wenngleich abzuwarten bleibe, ob die Beschäftigten am Ende des Monats ihre Gehälter ausbezahlt bekommen.

Gibt es Beispiele für gelungene Planinsolvenzen?

Ja, etwa die deutsche Modekette SinnLeffers oder den Fall Karstadt. Bei SinnLeffers waren allerdings harte Einschnitte nötig: nur 25 von 47 Standorten blieben erhalten, rund 1.300 Jobs wurden gestrichen. In Baden-Württemberg hat der Modelleisenbahnhersteller Märklin es geschafft, sich dank eines Plans aus der Insolvenz zu verabschieden. Das war aber auch nur möglich, weil sich die wichtigsten Gläubiger darauf einigten, einen Teil ihrer Forderungen in Millionenhöhe erst später beglichen zu bekommen.

Hat Schlecker eine Chance auf dem Drogeriemarkt?

Nur mit einem radikalen Imagewandel, sagen Branchenexperten. Weg vom Billiganbieter mit Geschäften an jeder Straßenecke, lange Jahre das Erfolgsmodell der Kette. Die größten Konkurrenten dm und Rossmann haben sich seit ihren ebenfalls im Drogerie-Diskont-Bereich liegenden Anfängen enorm weiterentwickelt. Gerade der Karlsruher dm-Konzern hat mit großen, zentral gelegenen Filialen immer mehr Marktanteile hinzugewonnen und ist etwa im Fotobereich sehr beliebt. Laut “Manager Magazin” kommt ein Schlecker-Markt im Schnitt auf 46.000 Euro Monatsumsatz, bei Rossmann und dm ist es ein Vielfaches. 2010 ging der Schlecker-Umsatz um zehn Prozent auf 6,55 Milliarden Euro zurück.

Zudem hat Schlecker bis heute mit seinem Negativimage zu kämpfen, weil Arbeitnehmerrechte früher wenig galten und sich das Bild in den Köpfen vieler Konsumenten festgesetzt hat. Auch in Österreich hatte es jahrelang massive Querelen mit der Gewerkschaft gegeben, Streitthemen waren unter anderem fehlende Sozialpläne, illegale Kontrollen privater Taschen und Spinde oder die Abschaffung des 25-Prozent-Mehrarbeitszuschlages für Teilzeitkräfte. Im Dezember begruben dann Gewerkschaft und Management das Kriegsbeil, seitdem ist man auf beiden Seiten um Harmonie bemüht.

Wie weit ist die Neuausrichtung?

Die hat Schlecker mit seinem Programm “Fit for Future” erst sehr spät gestartet. Anfang 2011 wurden die ersten, neu gestalteten Filialen aufgemacht. Sie bieten mehr Bewegungsfreiheit, übersichtliche Regale und ein speziell auf die jeweilige Nachbarschaft abgestimmtes Sortiment. Rund 30 Prozent Umsatzzuwachs verzeichneten sie nach Angaben von Meike und Lars Schlecker. Bisher gibt es erst rund 300 der neuen Filialen, 750 bis 1.000 sollten es in diesem Jahr werden. Das Gros der über 7.000 Filialen allein in Deutschland sind weiterhin kleine und enge Geschäfte mit geringen Fixkosten, aber auch wenig Umsatz. Hier wollte Schlecker zuletzt wieder über eine Preisoffensive punkten.

(APA/dpa/Reuters)

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