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"Schlafes Bruder": Opern-Neufassung uraufgeführt

Schwarzach - "Wer liebt, schläft nicht." Das kann nicht gut gehen, noch immer nicht. Auch zwölf Jahre nach der Zürcher Uraufführung ist dieser folgenschwere Entschluss des jungen Musikers Elias Alder Zentralpunkt von Herbert Willis Oper "Schlafes Bruder".

Doch sonst ist das Musiktheaterstück, um das es seither ziemlich ruhig geworden ist, in Klagenfurt nun kaum wiederzuerkennen. Das liegt nicht nur an der Umarbeitung durch den Komponisten und den Autor Robert Schneider, sondern auch an der sowohl intelligenten als auch kulinarischen Arbeit von Regisseur Aron Stiehl und Ausstatter Jürgen Kirner.

Die Oper ist nun mit rund 100 Minuten ein wenig länger als die Erstfassung und hat einen komponierten Prolog, bei dem Schlagwerker in den Bühnenlogen zum Einsatz kommen, während auf der Bühne Elias pantomimisch das Eigenleben seines Schattens entdeckt. Dieser Elias (den Erik Arman sehr naiv spielt und tadellos singt) ist ein Außenseiter, und Stiehl, der lange Spielleiter an der Bayerischen Staatsoper war, betont dies in den gelungenen Chorszenen besonders augenfällig. Er ist anders als die anderen – und denen gefällt das überhaupt nicht. Teilen des Premierenpublikums ging das gestern übrigens ähnlich, und so kamen manchmal nicht nur durch den Einsatz einer kleinen Madonnenstatue, die Elias auf seiner verzweifelten Gottsuche schließlich zertrümmert, sondern auch durch einige Zuschauer-Abgänge Erinnerungen an die legendäre Klagenfurter “Kabale und Liebe”-Inszenierung von Martin Kusej auf.

Die “Schlafes Bruder”-Oper, die noch immer erstaunlich wenig mit dem seinerzeitigen Bestseller zu tun hat, ist nicht nur ein Außenseiterdrama, sondern auch ein Liebesdrama. Die aufkeimende Liebe zwischen Elias und Elsbeth (Maren Engelhardt), die sich aber für den wesentlich handfesteren Lukas entscheidet, und mehr noch die stark ins homoerotische gehende Verehrung, die Peter (Alexander Puhrer) seinem Freund Elias entgegenbringt, ist deutlich herausgearbeitet. Ein Künstlerdrama ist es dagegen weiterhin nicht, doch der Vorarlberger Komponist hat dem in Schneiders Buch so eindrücklich geschilderten “Hörwunder” nun eine musikalische Entsprechung gegeben. Den Hauptpart dabei erhielt der Solotrompeter des Lucerne Festival Orchestra, Reinhold Friedrich. Sein Auftritt in dem magischen Gang, den Bühnenbildner Jürgen Kirner in die Mitte eines mit Projektionen vielseitig bespielten Trichters gebaut hat, wirkt bedrohlich und verlockend zugleich.

Auch den abschließenden Monolog für einen Sprecher, den bei der gestrigen Uraufführung der Neufassung Markus Meyer vom Burgtheater virtuos umsetzte, haben Willi und Schneider überarbeitet. Mit Umformulierungen des “Vater unser” wird das zunehmende Verzweifeln Elias’, das in die Einsamkeit führt, noch deutlicher. So paradox es klingt: Die Oper wird durch die Überarbeitungen einfacher und komplexer zugleich. Noch immer ist sie kitschgefährdet (was Stiehl souverän umschifft), noch immer macht es Herbert Willi den Zuhörern und den Musikern in der weitgehenden Vermeidung von melodiösen Bögen und mit vielfach retardierenden Motiven nicht leicht. Dirigent Michael Brandstätter und das Kärntner Sinfonieorchester stellten sich der schwierigen Aufgabe jedoch mit großem Engagement.

Auch wenn der Applaus im Stadttheater Klagenfurt am Ende nicht unbedingt euphorisch klang: Nach einem zwölfjährigen Dornröschenschlaf gab “Schlafes Bruder” ein überaus munteres Lebenszeichen von sich. Es wäre langsam Zeit, dass er endlich auch in Wien (wo die Erstfassung 1996 nur als Festwochen-Gastspiel zu sehen war) wachgeküsst wird.

“Schlafes Bruder” von Herbert Willi, Neufassung, Stadttheater Klagenfurt, Weitere Aufführungen 1., 3., 5., 12., 16., 18., 25., 30.4., 2.5.

Karten: 0463 / 55 2 66, Internet

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