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Schießerei in Gebetshaus: Verfassungsschutz schließt Racheakte nicht aus

Sikh-Tempel in Donaustadt unter Polizeischutz
Sikh-Tempel in Donaustadt unter Polizeischutz ©APA
Das Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) rechnet mit Solidaritätskundgebungen und schließt Racheaktionen nicht aus.

Am Tag nach der Schießerei in dem Sikh-Gebetshaus in Wien, bei dem ein Prediger tödliche und ein zweiter schwerste Verletzungen erlitten hat, geht man beim Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) vorläufig von einem religiösem Motiv aus. “Vorsichtig formuliert gehen wir davon aus, dass der Inhalt der Predigt Auslöser der Tat war”, sagte LVT-Leiter Werner Autericky am Montag bei einer Pressekonferenz in der Polizeidirektion. Bei der Schießerei und dem anschließenden Tumult wurde etwa ein Dutzend weitere Menschen verletzt. Sechs mutmaßliche Angreifer wurden gefasst.

Autericky wies neuerlich Meldungen zurück, wonach es im Vorfeld der Predigt, zu der der Obmann des Gebetshauses die beiden späteren Opfer eingeladen hatte, Hinweise auf Bedrohungen gegeben habe. Es habe zwei Kontaktaufnahmen seitens des Vereins gegeben, einige Tage zuvor und unmittelbar vor der Veranstaltung, sagte der LVT-Leiter. Der Obmann habe erklärt, dass es keinerlei Gefährdungspotenzial gebe. Kurz vor dem Gebet sei die Polizei darauf aufmerksam gemacht worden, dass viel mehr Besucher als erwartet anwesend seien. Deshalb seien mehrere Polizeifahrzeuge zu dem Gebetshaus geschickt worden. Die Beamten trafen kurz nach der Schießerei ein und wurden Zeugen des folgenden Tumults, in dessen Rahmen Messer, Mikrofonständer und sogar eine Pfanne als Waffen eingesetzt wurden.

Zwei der mutmaßlichen Attentäter waren durch Kopfschüsse verletzt worden. Vorläufig sei es noch schwer, mit Gewissheit zwischen Tätern und Opfern zu unterscheiden, sagte Autericky. Die Einvernahmen haben seinen Angaben zufolge bisher keine entscheidenden Erkenntnisse gebracht. Von den sechs Festgenommenen sind drei identifiziert, zwei von ihnen sind indische Asylwerber. Sie wurden 1981, 1974 bzw. 1963 geboren. Einer hält sich seit 2001 in Österreich auf, die beiden anderen seit dem vergangenen Jahr. Ein weiterer Verdächtiger habe bisher noch nicht geredet, von einem anderen seien drei verschiedenen Namen bekannt. Die Einvernahmen werden mit Hilfe von Dolmetschern geführt.

Bei den Strukturermittlungen in Bezug auf die Glaubensgemeinschaft der Sikhs in Österreich stehe man noch ganz am Anfang, sagte Autericky. Beim LVT rechnet man nun mit Unterstützungs- bzw. Solidaritätsaktionen für den verletzten Gurus Sant Niranjan Dass (68), der so wie die anderen verletzten Opfer im Spital bewacht wird. Gefasst sein müsse man auch auf Racheaktionen. Extra Polizeischutz gibt es nicht nur für die Verletzten, sondern auch für die indische Botschaft und das Konsulat. Bezüglich konkreter Ermittlungsschritte hielt sich Autericky bedeckt.

Parallel zu den Verfassungsschützern ermitteln auch Kriminalbeamte. Sie vernehmen einerseits Zeugen (Hinweise, auf Wunsch anonym, an das LVT unter Tel. 01/31310/74 035 DW) und sichern Spuren am Tatort. Diese Arbeit werde noch einige Tage in Anspruch nehmen, sagte Wolfgang Haupt vom Landeskriminalamt. Die Kriminaltechniker untersuchen Stück für Stück den Zeremoniensaal und weitere Räume im Gebetshaus. Als Tatwaffen seien mehrere Messer – keine traditionellen Dolche – und eine neun-Millimeter-Pistole sichergestellt worden, deren Untersuchung noch nicht abgeschlossen sei. Näheres zur Schusswaffe sagte Haupt nicht. “Dazu habe ich von meinen Mitarbeitern keine Informationen erhalten”, sagte der Oberst bei der Pressekonferenz.

Über die Anzahl der abgegebenen Schüsse und allfällige weitere Tatwaffen konnte Haupt noch keine Angaben machen. “Wir schließen nicht aus, dass wir noch weitere Projektilhülsen oder Messer finden.” Mehrere Einschüsse gebe es auch an Wänden. Die Tatortgruppen arbeiten sich sozusagen penibel Schicht für Schicht durch zurückgelassenen Kleidung, Tücher und sonstige Utensilien, die sich im Gebetshaus befinden, nachdem die Besucher in Panik geflüchtet waren. “Ähnlich wie auf einem Schlachtfeld” habe es ausgesehen, sagte WEGA-Kommandant Ernst Albrecht, der die Lage mit einer Amok-Situation verglich. Der Stresspegel für die Einsatzkräfte sei hoch gewesen.

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