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Schafft diesen Nationalfeiertag ab!

Gastkommentar zum Nationalfeiertag von Johannes Huber.
Gastkommentar zum Nationalfeiertag von Johannes Huber. ©APA/Herbert Pfarrhofer
Gastkommentar von Johannes Huber. Abgesehen davon, dass sich die Grundlage aufgelöst hat, würde es längst einen besseren Anlass geben, die Nation zu feiern.

Irgendwie ist es zur Routine geworden, dass am 26. Oktober das Heer auf dem Heldenplatz zeigt, was es kann und dass der jeweilige Kanzler am Ballhausplatz und der jeweilige Bundespräsident in der Hofburg tausende Bürger empfangen. So ist das halt am Nationalfeiertag. Weil es schon lange so ist.

Ja, ein bisschen ist es wie bei Weihnachten und Ostern: Viele feiern, ohne den Anlass zu kennen. Im konkreten Fall ist es das Bundesverfassungsgesetz vom 26. Oktober 1955 über die Neutralität Österreichs. Und vor diesem Hintergrund kann man zum Schluss kommen, dass es an der Zeit ist, sich etwas Neues zu überlegen; dieser Nationalfeiertag ist mittlerweile jedenfalls weit daneben.

Wo soll man anfangen? Die Neutralität existiert nur noch auf dem Papier. Österreich ist zwar nicht der NATO beigetreten, eine Neutralitätspolitik, die ebenfalls damit verbunden sein müsste, praktiziert es aber auch nicht. Im Gegenteil: „Achsen“ mit Rechtspopulisten in Deutschland und Italien sowie Vertraulichkeiten mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, die bis hin zu seinem halbprivaten Hochzeitsbesuch bei Außenministerin Karin Kneissl reichen, sorgen dafür, dass sich Österreich klar auf die Seite potenzieller Streitparteien geschlagen hat. Glaubwürdig neutral kann es sich beispielsweise in einem Konflikt, an dem ganz besonders Russland beteiligt ist, nicht mehr verhalten, und das ist das Problem.

Abgesehen davon muss man sich schon fragen: Was hat dieser Akt vom 26. Oktober 1955 überhaupt mit der Entwicklung der Nation zu tun? Welche Nation ist gemeint? Die Freiheitlichen haben diesen Nationalfeiertag einst abgelehnt. Der damalige Parteichef Friedrich Peter argumentierte, es handle sich dabei um „nichts anderes als eine Abkehr von der historischen Wahrheit“. Österreich eine eigenständige Nation? Demnach undenkbar. Deutschnationale Burschenschafter sehen das nach wie vor so.

Aus heutiger Sicht würde es bessere Anlässe geben, zu feiern. Ursprünglich war der Nationalfeiertag am 12. November – in Erinnerung an die Ausrufung der Republik, die da vor mittlerweile 100 Jahren stattgefunden hat; 1918 nämlich. Das hat etwas.

Zukunftsweisend wäre jedoch ein Zusammenhang mit der europäischen Integration. Ein solcher ließe sich zum Beispiel über den 12. Juni erzeugen. 1994 haben sich an diesem Tag bei einer Volksabstimmung zwei Drittel der Österreicher für den EU-Beitritt ausgesprochen. Damit steht sehr Großes in Verbindung, das all die Unzulänglichkeiten der praktischen Integration bei weitem überstrahlt: Der Versuch, den unsäglichen Nationalismus zu überwinden, der Europa zu viele Kriege beschert hat; beziehungsweise die Bereitschaft, sich immer wieder neu um gemeinsame Lösungen zu bemühen.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik

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