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Sara ist sein Augenlicht in einer dunklen Welt

Tochter Sara begleitet ihren blinden Vater. Sie ist für ihn das Augenlicht.
Tochter Sara begleitet ihren blinden Vater. Sie ist für ihn das Augenlicht. ©Edith Hämmerle
Menschen aus der Heimat: Seit 14 Jahren verbringt Dieter Wolter sein Leben in völliger Dunkelheit. Seit fünf Jahren ist er Obmann vom BSVV.

Schwarzach. Für ihn ist die Welt dunkel. Egal, ob er draußen oder drinnen ist, oder ob die Sonne scheint. Nicht einmal ein Schimmer ist zu erkennen. „Es ist schwer zu beschreiben, eigentlich ist es immer grau. Dunkelgrau“, definiert Dieter Wolter seinen Zustand. Die Sonne scheint für ihn seit 14 Jahren nicht mehr. Wie es ist, wenn sie scheint, weiß er. Die Bilder aus früheren Tagen sind in seinem inneren Auge gespeichert. Bis zu seinem fünften Lebensjahr konnte er sehen. Nach einem Unfall war er von heute auf morgen stark sehbehindert. Eine Operation folgte der anderen. „Es waren sicher an die 30“, erinnert sich der heute 60-Jährige an die schwere Zeit zurück. Zuerst kam der graue Star, dann der grüne. Es wurde operiert, bis die Augen nicht mehr mitmachten. Alle Versuche scheiterten. Die völlige Erblindung war nicht zu vermeiden. Der Neo-Lauteracher, der lange in Berlin lebte, hat sein Schicksal angenommen. Er stand schon immer auf der positiven Seite, wie er sagt. Ein Tag ohne Lachen war für ihn immer ein verlorener Tag und so hat er die Entscheidung getroffen, aus seinem dunklen Leben ein helles zu machen. Die Sonne sieht er täglich im familiären Glück. Seine Lebenspartnerin und seine 20-jährige Tochter Sara stehen voll hinter ihm. „Sara ist mein Augenlicht“, sagt der Familienvater. Die Dankbarkeit ist in seiner Stimme hörbar. Es läuft überhaupt alles über die Stimme und das Gehör. Sein Handy und sein PC sind seine Instrumente. Die Tastatur ist mit einigen Markierungspunkten versehen. Er hört Musik. Er hört Bücher. Er hört Menschen. Beim Kochen hingegen sei viel Intuition gefordert.

Einen Arm zum Einhaken
Zur Fortbewegung nimmt Wolter auch öffentliche Verkehrsmittel in Anspruch. Dann ist Sara immer an seiner Seite. Sie begleitet ihren Vater auch zum Interview, das im „Haus Ingrüne“, oberhalb von Schwarzach, stattfindet. Denn vor gut fünf Jahren hat Dieter Wolter das Amt des Obmannes für den Blinden- und Sehbehindertenverband Vorarlberg (BSVV) übernommen. Er engagiert sich mit Leidenschaft für diese Tätigkeit. Das Blindenheim ist inzwischen seine zweite Heimat geworden. Doch an diesem Freitag ist es ein bisschen hektisch in der „Ingrüne“. Alle Tische im Saal werden festlich gedeckt. Es wird telefoniert. Die Musikanten sollen pünktlich erscheinen. „Morgen haben wir das Faschingskränzle für alle Mitglieder und Gäste“, erklärt der Obmann den „Ausnahmezustand“. Die Vorfreude steht jedenfalls deutlich in seinem Gesicht geschrieben. Danach geht es zurück in die obere Etage. Dazu benötigt er den Arm von Sara. Dann spürt er wieder seine Abhängigkeit, an die er sich aber schon lange gewöhnt hat. Einen Arm zum Einhaken braucht er immer, wenn er von A nach B kommen will.

„Dinner in the Dark“
Wie sich ein Leben im Dunkeln anfühlt, kann im „Haus Ingrüne“ gebucht werden. Das Erlebnis bei einem dreigängigen Menü oder einem Frühstück in völliger Dunkelheit gibt Sehenden die Möglichkeit, danach wieder mit anderen Augen zu sehen. Vielleicht so, wie der kleine Prinz, der das Wesentliche nur mit dem Herzen sieht. Phil Bosmans beschreibt die Liebe, die immer ein bisschen blind sein sollte. Der bekannte biblische Vers: „Sie sehen und sehen doch nicht“, kann in der Dunkelheit Sinn geben.
Die einen kommen, um ihren Geburtstag mit Freunden einmal anders zu feiern, wieder andere verbringen mit Arbeitskollegen einen schönen Abend bei einem Essen im „Darkroom“. Es kommen auch Schulkinder. „Im Jahr sind es sicher an die 40 Schulklassen, die uns besuchen.“ Das sei für Schüler eine interessante Abwechslung. „Es wird dann ein Film über Sehbehinderte gezeigt. Mit einer Dunkelbrille, bei vollständigem Sichtentzug, werden sie durch das Haus und das umliegende Gelände geführt. Die Jause wird im „Darkroom“ eingenommen. Kinder, die ja sehr unbefangen sind, nehmen eine Menge an Erfahrungswerten mit, wie zum Beispiel sehbehinderte Menschen das Leben meistern, oder wie die Butter im Dunkeln auf das Brot kommt,“ erzählt Wolter auch von anderen Aktivitäten im „Haus Ingrüne“, und: „Es ist immer schön, wenn Leben im Haus ist.“

Zur Person:
Dieter Wolter
geboren: 1958
Familie: In Partnerschaft, 1 Tochter (Sara)
Wohnort: Lauterach
Ausbildung/Laufbahn: Studium (damals Staatswissenschaften), war lange in der Verwaltung im öffentlichen Dienst tätig
Seit fünf Jahren Obmann des Blinden- und Sehbehindertenverbandes Vbg.
Hobbys: Musik hören, Kochen, Familie (alles Gemeinsame teilen), Blinden- und Sehbehindertenverband
Lebensmotto: “Kein Tag ohne Lachen”

 

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