Russland inszeniert Ukraine-Krieg mit Bildern und Worten

Es sei der "Kampf um die Köpfe der Menschen". Dieser tobt einerseits in Internet mit Bildern und Videos aus dem Kriegsgebiet. Die zweite Front bilden die politischen Aussagen und Inszenierungen.
Ein gutes Beispiel dafür ist die Atomdrohung des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Diese habe mit seinem Auftritt im Fernsehen, bei dem er seine militärische Führung aufgefordert hat, die russischen Atomstreitkräfte in erhöhter Alarmbereitschaft zu versetzen, mit einem Schlag Millionen Menschen in Angst und Schrecken versetzt. "So etwas nennt man Informationsbombe", erklärt Reisner.
Militärexperte: Kampf im Informationsbereich nimmt auch zu
Die Russen "sind nicht zuletzt auch deswegen bisher zurückhaltend" und haben noch nicht ihre gesamte militärische Wucht auf die Ukraine abgeladen, "weil sie den Kampf im Informationsraum nicht verlieren wollen". "Das habe ich mit der Aussage einer 'moderaten Kriegsführung beziehungsweise skalierten gestern dargestellt", so Reisner. Würden die Russen brutaler angreifen, könnten sie den Informationskrieg verlieren, "weil der Angriff als nicht mehr verhältnismäßig empfunden werden würde und auch China damit nichts mehr damit zu tun haben will".
Ihre "Verhältnismäßigkeit" zeigen die Russen mit der heutigen Meldung, dass es aus Kiew und anderen Städten humanitäre Korridore gebe und die Zivilisten aufgefordert sind, die Stadt zu verlassen. Reisner geht davon aus, dass von den rund drei Millionen Einwohnern der Hauptstadt rund 90 Prozent Zivilisten sind. Bisher ist nach Einschätzung Reisners der Großteil in der Stadt geblieben, große Evakuierung habe es bisher nicht gegeben. "Die Ukrainer würden diese aber auch nicht zeigen", erklärt Reisner mit einem weiteren Beispiel der Kriegsführung im Informationskrieg.
Kriegsbilder und Informationen von Russland kritisch hinterfragen
Parallel dazu sah man heute Bilder vom Einschlag einer Iskander-Rakete (eine taktische ballistische Boden-Boden-Rakete aus russischer Produktion der Klasse Kurzstreckenrakete) am zentralen Hauptplatz in Charkiw. "Damit wollen die Russen sagen: Ihr habt die Möglichkeit abzuziehen, wenn ihr länger bleibt, kommen schreckliche Dinge auf euch zu." Reisner rät beim Konsumieren von Kriegsbildern und Informationen, die Dinge kritisch zu hinterfragen. Auch beim Bejubeln der ukrainischen Tapferkeit "müssen wir vorsichtig sein, dass wir nicht in eine Kriegseuphorie verfallen und aus den 'Hurra-Rufen' nicht mehr herauskommen", so Reisner.
Ukraine-Krieg: Zentraler Angriff auf Kiew steht wohl bevor
Militärisch haben die Russen Kiew von drei Seiten umzingelt: Nordwest, Nordost und Südwest. Spezialkräfte haben in den vergangenen zwei Nächten die Stellungen der ukrainischen Verteidigung ausgespäht, um den zentralen Angriff zu planen. Dieser werde wahrscheinlich in den frühen Morgenstunden der nächsten Tage stattfinden. Was der erwartete massive Angriff auf Kiew bedeuten wird, könne man an der tschetschenischen Hauptstadt Grosny sehen, die während der Tschetschenienkriege in Schutt und Asche gelegt wurde.
Viele offene Fragen sieht der Militärstratege bei den Ankündigungen des Westens, der Ukraine auch Kampfjets zur Verfügung zu stellen. Diese müssten im Extremfall von NATO-Staat Polen aus starten, weil die ukrainische Fluginfrastruktur zum Großteil zerstört wurde. "Dann stellt sich aber auch die Frage, wo diese Kampfjets betankt und aufmunitioniert werden." Wenn das auch in Polen passiert, sei dies ebenfalls aus völkerrechtlichen Sicht zu bewerten.
(APA/Red)