AA

Ukraine vermeldet schwere Verluste auf beiden Seiten

Der russische Vorstoß konzentriert sich offenbar auf den Osten der Ukraine
Der russische Vorstoß konzentriert sich offenbar auf den Osten der Ukraine ©APA
Die Ukraine hat schwere Verluste durch die russische Offensive im Osten des Landes eingeräumt.

Allerdings seien sie auf russischer Seite sehr viel schwerer, sagte Präsidialberater Olexij Arestowytsch am Freitag: "Ihre Verluste sind kolossal." Das Stahlwerk Asowstal in der südöstlichen Hafenstadt Mariupol ist nach wie vor unter russischer Belagerung. Das Büro des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj kündigte einen Einsatz an, um Zivilisten von dem Gelände zu holen.

Jetzt auf VOL.AT lesen

Das britische Verteidigungsministerium berichtete von besonders schweren Gefechten um die Städte Lyssytschansk and Sewerodonezk im Donbass. "Die russischen Gebietsgewinne sind begrenzt und wurden unter erheblichen Kosten für die russischen Streitkräfte erzielt", hieß es zur militärischen Lage. Das russische Verteidigungsministerium gab seinerseits einen Angriff auf ukrainische Militärziele mit Marschflugkörpern von einem U-Boot im Schwarzen Meer aus bekannt. Der Nachrichtenagentur Interfax zufolge war es das erste Mal, dass Russland einen derartigen Angriff öffentlich machte. Die jeweiligen Angaben konnten von unabhängiger Seite nicht überprüft werden.

Konzentration auf dem Osten

Der russische Vorstoß konzentriert sich offenbar auf den Osten der Ukraine, wo Teile des Landes schon länger von pro-russischen Separatisten kontrolliert werden. Die ukrainische Militärführung berichtete am Freitag dort von einem Beschuss ihrer Stellungen, um eine Neuordnung der Verteidiger zu verhindern. Russische Behörden berichteten vom Beschuss ihres grenznahen Territoriums von der Ukraine aus.

Evakuierungen aus Mariupol geplant

In der völlig zerstörten ukrainischen Hafenstadt Mariupol ist unterdessen Medienberichten zufolge für diesen Freitag die Evakuierung von Zivilisten aus dem belagerten Stahlwerk Azovstal geplant. Es sei eine "Operation" geplant, um die eingeschlossenen Menschen zu retten, berichtete die ukrainische Zeitung "Ukrajinska Prawda" unter Berufung auf eine Quelle im Präsidialamt.

Ein erster Evakuierungsversuch am Donnerstag sei gescheitert, weil russische Truppen gezielt ein Lazarett auf dem Werksgelände beschossen hätten. Von offizieller Seite gab es für die Meldung zunächst keine Bestätigung.

Der Bürgermeister von Mariupol, Wadym Bojtschenko, äußerte die Hoffnung, dass bei den weiter andauernden "Verhandlungsprozeduren" eine Übereinkunft zur Evakuierung von Zivilisten aus Mariupol zustande kommen könnte. In dem belagerten Stahlwerk gebe es fast keine Lebensmittel, Wasser und Medikamente mehr, sagte Bojtschenko nach Angaben der ukrainischen Agentur Unian. "Hier geht es schon nicht mehr um Tage, sondern um Stunden."

Feldlazarett unter Beschuss

Zuvor war bei einem russischen Angriff auf die im Stahlwerk verschanzten letzten Verteidiger Mariupols das dort eingerichtete Feldlazarett unter schweren Beschuss geraten. Nach einem Bericht der "Ukrajinska Prawda" kam dabei am Donnerstagabend mindestens ein Soldat ums Leben, rund 100 Patienten erlitten weitere Verletzungen. Nach Darstellung der Verteidiger sei das Lazarett, in dem sich rund 500 Verwundete und Ärzte aufhielten, gezielt angegriffen worden. Die Angaben konnten nicht unabhängig überprüft werden.

Dem Rat der Stadt zufolge sind in Mariupol etwa 100.000 Bewohner in Lebensgefahr angesichts russischen Beschusses und mangelnder Versorgung und Hygiene. Es gebe einen katastrophalen Mangel an Trinkwasser und Lebensmitteln. Russland hatte in der vergangenen Woche den Sieg in Mariupol ausgerufen. Präsident Wladimir Putin hat angekündigt, die verbliebenen ukrainischen Soldaten nicht abziehen zu lassen.

Russland meldet ukrainische Angriffe

Russische Behörden warfen der Ukraine unterdessen den Beschuss eines weiteren Grenzübergangs vor. Am Freitag seien russische Grenzschützer in der Ortschaft Bjelaja Berjoska im Gebiet Brjansk aus Granatwerfern beschossen worden, teilte der Gebietsgouverneur Alexander Bogomas nach Angaben der Agentur Interfax mit. Opfer habe es nicht gegeben. Es seien aber Strom- und Wasserleitungen beschädigt worden. Auch ein Friedhof sei getroffen worden.

Zuvor hatte Russland auch von ukrainischen Angriffen auf die Ortschaft Krupez im westrussischen Gebiet Kursk - etwa 100 Kilometer Luftlinie von Bjelaja Berjoska - entfernt, berichtet. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen. Von ukrainischer Seite gab es keine offizielle Reaktion.

Auch Kiew wieder im Visier

Einen Tag nach dem Besuch von UNO-Generalsekretär Antonio Guterres in Kiew bestätigte Russlands Militär unterdessen Angriffe auf die ukrainische Hauptstadt. Der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, sagte am Freitag in Moskau, Hochpräzisionsraketen mit großer Reichweite hätten Fabrikgebäude des ukrainischen Raketenherstellers "Artem" getroffen. Den genauen Zeitpunkt der russischen Angriffe nannte er nicht.

Ukrainischen Angaben zufolge ereigneten sich die Angriffe am Donnerstagabend, als Guterres noch in der Stadt war. Dabei sei auch ein Wohnhaus getroffen worden. Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko berichtete am Freitag, dass aus den Trümmern eine Leiche geborgen worden sei. Zudem seien zehn Menschen verletzt worden. Guterres sagte dem britischen Sender BBC: "Ich war geschockt zu hören, dass in der Stadt, in der ich mich aufhalte, zwei Raketen explodiert sind."

Amerikanische Radiomitarbeiterin tot

Der US-Sender Radio Liberty meldete in diesem Zusammenhang den Tod einer seiner Mitarbeiterinnen in Kiew. Ukrainische Rettungskräfte hätten die Leiche von Vira Girich aus den Trümmern eines von einer Rakete getroffenen Wohnhauses geborgen. Girich habe seit 2018 im Kiewer Büro des Senders als Produzentin gearbeitet. Der Angriff ereignete sich offenbar am Donnerstag während des Besuchs von UN-Generalsekretär Guterres in Kiew.

Die deutsche Bundesregierung verurteilte den russischen Raketenangriff auf Kiew am Tag des Besuchs von UNO-Generalsekretär Guterres scharf. "Das Vorgehen der russischen Seite ist menschenverachtend", sagte der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner am Freitag in Berlin. "Es offenbart vor den Augen der Weltgemeinschaft zudem erneut, dass Putin und sein Regime keinerlei Respekt vor dem internationalen Recht haben."

Freiwillige Helfer in Gefangenschaft

Die russischen Streitkräfte nahmen unterdessen nach Angaben einer britischen Hilfsorganisation zwei ihrer freiwilligen Helfer in der Ukraine gefangen. Die Organisation Presidium Network teilte mit, die beiden Briten seien am Montag an einem Kontrollposten südlich von Saporischschja festgenommen worden. Laut der Organisation verteilten die beiden Männer, beides Zivilisten, im Rahmen eines humanitären Hilfsprojektes in der Ukraine Lebensmittel und Medikamente und halfen bei Evakuierungen.

Das britische Außenministerium gab zunächst keine Stellungnahme ab. "Das Außenministerium tut alles in seiner Macht stehende um die beiden Personen zu unterstützen und zu ermitteln", sagte die britische Handelsministerin Anne-Marie Trevelyan Sky News.

Ukraine bittet um Hilfe bei Minenräumung

Die Ukraine bat die internationale Gemeinschaft um Hilfe bei der Räumung von Minen in den Kampfgebieten. Benötigt würden Spezialisten und Technik, sagte der ukrainische Innenminister Denys Monastyrskyj nach Angaben der "Ukrajinska Prawda" am Freitag. "Auf einen Tag aktiver Kampfhandlungen kommen 30 Tage Minenräumung." So hätten allein die Kämpfe im Gebiet der Hauptstadt Kiew 30 bis 35 Tage gedauert. Die Säuberung des Territoriums würde dort theoretisch mehr als zwei Jahre dauern.

Der Minister warnte, dass mit dem Beginn des Frühlings Gras über Minen wachsen könnte, so dass sie nur noch mit speziellen Suchgeräten geortet werden könnten. Die Ukraine habe zu wenig Spezialkräfte und daher internationale Organisationen gebeten, Helfer und Ausrüstung zu schicken.

Am Vortag hatte Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko auf die Minengefahr in den Vororten der Hauptstadt hingewiesen. Es seien bereits Menschen getötet worden.

(APA/dpa/Reuters)

  • VIENNA.AT
  • Ukraine-Krieg
  • Ukraine vermeldet schwere Verluste auf beiden Seiten