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Rund 700 Beschwerden beim Presserat nach Anschlag in Wien

Wolfgang Fellner steht mit seinem "oe24.tv" massiv in der Kritik - Grund ist die Art, wie über den Anschlag in Wien berichtet wurde
Wolfgang Fellner steht mit seinem "oe24.tv" massiv in der Kritik - Grund ist die Art, wie über den Anschlag in Wien berichtet wurde ©APA/HANS PUNZ
Massive Kritik an "oe24.tv" und "krone.at": Die Veröffentlichung von Videos, auf denen zu sehen ist, wie beim gestrigen Anschlag in Wien auf Menschen geschossen wird, hat rund 700 Beschwerden beim Presserat ausgelöst.
Bilder vom Polizeieinsatz
Erste Infos zu geötetem Attentäter

Die Beschwerden richten sich vor allem gegen "oe24.tv" aber auch gegen "krone.at", sagte Geschäftsführer Alexander Warzilek am Dienstag zur APA. Der zuständige Senat werde sich eingehend damit beschäftigen, kündigte er an. Der Presserat wies eindringlich darauf hin, den Persönlichkeitsschutz zu achten.

Befördern Bilder die Interessen der Terroristen?

Der Senat werde sich außerdem mit der Frage auseinandersetzen, inwiefern die Interessen der Terroristen befördert würden, wenn zu viele Bilder gezeigt werden, sagte Warzilek. Der Presserat mahnte zur Zurückhaltung: "Verbreiten Sie keine Gerüchte, behindern Sie nicht die Polizei, verzichten Sie auf Aufnahmen und deren Verbreitung, gefährden Sie weder sich selbst noch die Ermittlungen."

Auf Twitter wurden Forderungen laut, die Presseförderung oder die Vergabe von Inseraten an den Umgang mit solchen Vorfällen zu knüpfen.

Billa und Spar canceln Werbeschaltungen in "Österreich" und "Krone"

Billa kündigte an, Inserate in "Österreich" zu stoppen: "Wir unterstützen dieses Vorgehen in keiner Weise, der Stopp unserer Werbeschaltungen auf diesem Medium ist bereits veranlasst", twitterte das Unternehmen. Auch auf "krone.at" sei der Stopp von Werbeschaltungen veranlasst worden.

Die Spar-Gruppe setzte den gleichen Schritt: "Aufgrund der Art der aktuellen Berichterstattung setzen auch wir ein klares Zeichen und stoppen alle unsere Werbeanzeigen für Spar, Interspar und Hervis auf @Oe24at", schrieb das Unternehmen am Dienstagvormittag auf Twitter.

"Österreich"-Herausgeber Wolfgang Fellner: "Ganz normal"

Es handle sich um die "ganz normale Dokumentation eines Terroranschlags", verteidigte "Österreich"-Herausgeber Wolfgang Fellner das Vorgehen gegenüber der APA. Die Aufregung "oe24.tv" betreffend halte er für "völlig überzogen". Schließlich seien die Videos auf der ganzen Welt zu sehen gewesen. "Wir haben nichts anderes gemacht, als internationale TV-Stationen wie CNN, Fox News oder das israelische Fernsehen auch", so Fellner. Außerdem sei der Persönlichkeitsschutz gewahrt worden, da die Gesichter nicht erkennbar gewesen seien. Die Videos seien nur auf "oe24.tv", nicht auf der Webseite der Zeitung gezeigt worden. Auch im TV habe man die Aufnahmen nach 23 Uhr nicht mehr gezeigt, als man die Kritik eines Teils der Zuseher mitbekommen habe. Ab 21 Uhr seien außerdem alle Werbeeinschaltungen im Umfeld der Terrorberichterstattung gestoppt worden, betonte er.

"Krone" nahm Videos wieder offline

Der Chefredakteur der "Kronen Zeitung", Klaus Herrmann, reagierte in einer schriftlichen Stellungnahme: "Wir haben uns nach internen Diskussionen in der Nacht entschieden, Tatvideos nach bestmöglicher technischer Entschärfung zu veröffentlichen, um die Bedrohungslage zu unterstreichen. Die Videos wurden heute Morgen nach der - vermuteten - Entspannung der Lage wieder offline genommen", hieß es gegenüber der APA.

In den Sturm der Entrüstung gegen "oe24" stimmte auch Eva Dichand, Herausgeberin von "Heute" und damit Konkurrentin am Gratiszeitungsmarkt - sowie Ehefrau von "Krone"-Herausgeber Christoph Dichand - ein: "Und BITTE... hauen Sie uns nie mehr wieder mit denen in einen Topf. Wir sind anders", schrieb sie auf Twitter und illustrierte diesen Appell mit den Titelseiten von "Heute" und "oe24": Eva Dichands Zeitung hatte als Aufmacherbild eine Rose gewählt und im Blattinneren erläutert, "warum 'Heute' auf Bilder von Täter und Opfern verzichtet".

MÖ verurteilt veröffentlichte Fotos und Videos

Der Verein Medienjournalismus Österreich (MÖ) verurteilte am Dienstag ebenfalls "die von einigen Medien - allen voran 'oe24' und 'Kronen Zeitung' - veröffentlichten Fotos und Videos": "Diese Form von Journalismus ist unverantwortlich und degoutant und gibt den Tätern auch noch eine Bühne. Solche Veröffentlichungen widersprechen nicht nur dem Ehrenkodex der Presse, sondern könnten auch juristische Folgen nach sich ziehen, weil die Verbreitung von Aufnahmen, auf denen Opfer eines solchen Anschlags zu erkennen sind, medienrechtlich unzulässig ist", hieß es in einer Aussendung. Der Verein appellierte "an alle Kollegen und Medien, nicht den Voyeurismus mancher zu befriedigen, sondern verantwortungsbewusst und mit Bedacht zu handeln".

Auch "Falter"-Chefredakteur Klenk in der Kritik

Diskussionen gab es aber auch um "Falter"-Chefredakteur Florian Klenk. Er hatte in der Nacht zahlreiche Tweets abgesetzt, unter anderem zu einer angeblichen Geiselnahme.

Für diesen Tweet entschuldigte er sich danach: "Im Stress der Nacht und auch im Schock der Ereignisse habe auch ich die Nachricht eines Polizisten an mich verbreitet. Die Quelle war seriös, die Nachricht war zum Glück falsch. Sorry." Als er am Dienstag Details zur Biografie des Täters twitterte, gab es kritische Reaktionen. Die entsprechenden Informationen fanden dann freilich nach einer Bestätigung durch Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) auch ihren Weg in die mediale Berichterstattung.

Anschlag in Wien: Facebook arbeitet an Entfernung von Videos

Facebook arbeitet seit gestern Abend daran, Inhalte in Zusammenhang mit dem Anschlag, die gegen die Richtlinien des Unternehmens verstoßen, von Facebook und Instagram zu entfernen. Das gelte auch für Bilder und Videos im Crisis-Response-Tool, hieß es in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber der APA. "Wir sind schockiert über die Ereignisse in Wien und sind in Gedanken bei den Opfern und ihren Angehörigen", so ein Sprecher.

(APA/Red)

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