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"Romeo und Julia" auf der "Spitze" im Salzburger Landestheater

Als Tybalt, Benvolio und Romeo ist er selbst auf der Bühne gestanden, jetzt hat er seinen Shakespeare erstmals auch choreographiert: Peter Breuer, Ballettchef im Salzburger Landestheater, hat am Freitagabend "Romeo und Julia", die Liebesgeschichte aller Liebesgeschichten, zur Premiere gebracht und dafür Standing Ovations eingeheimst.
Das Publikum bedankte sich vor allem für ein bildreiches, klassisches Handlungsballett mit einer wirklich guten Tänzer-Companie. Eine Reihe von Belanglosigkeiten besonders im ersten Teil trübten den fulminanten Ballettabend allerdings erheblich.

Klar, der ewige Reiz an dieser Geschichte ist das Erheben der reinen Liebe über alle gesellschaftlichen Widrigkeiten. Also verpasst Ausstatter Dorin Gal einigen Tänzerinnen ein Kopftuch und anderen ein Dirndl. Zwei kleine Türme erinnern mehr an die Twin-Towers als an den berühmtesten Balkon der Weltliteratur. Aber dieser politisch-gegenwärtige Ansatz wird nicht vertieft. Schnell erstickt die Geschichte in Szenenfolgen von abstraktem Paar- und Gruppen-Tanz, von denen sich viele beim besten Willen nicht einordnen lassen – weder in Shakespeare noch in aktuelle Gesellschaftskritik. In diesen Phasen tröpfelt dieses Salzburger “Spitzen”-Ballett mehr als es fließt, und viele Bewegungsabläufe werden einfach abgetanzt und wirken wie unendlich oft gesehen. Und in der Breuer’schen Selbstinszenierung eines mit dem Brecheisen in die Geschichte gequetschen Ballettmeisters hat dieser Abend seinen dramaturgischen Tiefpunkt erreicht.

Aber Breuer, der Zeremonienmeister gut trainierter Kunst-Körper, scheint mit Fortdauer der Choreographie immer mehr zur Poesie zu finden. Die anfangs weitgehend harm- und zum Teil sogar sinnlose Sportlichkeit entwickelt zunehmend Kraft, die Bilder werden eindringlicher. Und in einigen seiner Tänzer hat Breuer kongeniale Partner. Selten ist getanzter Schmerz so unter die Haut gegangen wie die Trauer von Cristina Uta als Mutter Capulet über den toten Tybalt. Die Sex-Szene ist raffiniert und erotisch ohne anzüglich zu sein, auch wenn der Regen der Fruchtbarkeit im ersten Moment nur hart an der Plattheit vorbeischrammt. Dann aber schleudern, rutschen und straucheln die Helden der Liebe ohne Kontrolle durch das glitschige Nass – das Schicksal schubst sie in den Abgrund und zeigt der Liebe ihre Grenzen. Nicht neu aber außergewöhnlich gut gemacht.

Daniel Asher Smith ist ein kraftvoll-männlicher Romeo, Lilija Markina eine beweglich-ausdrucksstarke Julia. Marian Meszaros als Mercutio, Alexander Korobko als Tybalt und Anna Yanchuk als Julias Freundin fallen auf mit beeindruckender Körperbeherrschung und weitgehend disziplinierter Präzision in den Gruppen-Choreographien. Aber vor allem ist es die geschlossene Ensemble-Leistung inklusive der außergewöhnlich vielbeschäftigten Statisterie rund um Felix Mayrhofer, die das Premierenpublikum – zumindest im zweiten, entscheidenden Teil – restlos begeisterte. Unterm Strich: Ein schöner Erfolg für Breuer, sein Team und das Landestheater.

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