VN: Mit dem Louvre und dem Kunsthaus Bregenz bespielen Sie heuer zwei sehr unterschiedliche Häuser. Inwieweit bildet die flämische Malerei bzw. die KUB-Architektur einen Hintergrund für Ihre Arbeiten?
Fabre: Die flämischen Meister wie Bosch, Brueghel oder van Eyck waren und sind heute noch eine große Quelle der Inspiration für mich. In Fragen des Raums, der Imagination, der politischen Sicht, der Allegorie und symbolischer Aspekte gibt es immer wieder Links zu meinem Werk.
VN: Auch surrealistische Elemente sind gerade im Werk belgischer Künstler sehr präsent. Gibt es dafür eine Erklärung?
Fabre: Surrealismus hat mit einer Art von Ironie zu tun. Eine Ironie, die ein Mittel ist, um Dinge zu analysieren, zu kommentieren oder subversiv zu sein.
VN: Welche Möglichkeiten bietet Ihnen die pure Architektur von Zumthor?
Fabre: Es war wirklich aufregend, im Louvre zu arbeiten und bereits die Ausstellung für Bregenz vorzubereiten, weil der Kontrast immens ist. Während der Louvre für Macht und die Glorifizierung von Macht steht, dient dieses Haus hier der Kunst. Die Retrospektive im Louvre war eine Art künstlerischer Dialog mit meinen Wurzeln, inmitten der Alten Meister, was in der Konfrontation auch ein Risiko bedeutete. Im Kunsthaus ist es nicht weniger riskant, aber das Haus gibt mir ein unglaubliches Maß an Freiheit. Und die Herausforderung, fünf völlig neue Werke zu entwickeln.
VN: Sie stellen eine Analogie zwischen der Architektur und dem Körper her.
Fabre: Die aktuelle Ausstellung ist so etwas wie das Universum meines Denkens und führt meine Materialien der letzten Jahre, Zement, Knochen, Glas, Käfer, Kugelschreiberblau usw., zusammen. Es sind fünf verschiedene Arbeiten und gleichzeitig eine Art physische Verbindung zum Gebäude, wie ein Rückgrat, das Gehirn, Herz, Bauch, Geschlecht und Füße zusammenhält.
VN: Seit Jahren sind Sie den Geheimnissen des Lebens auf der Spur. Sind Sie dieser Frage näher- gekommen?
Fabre: Der Körper selbst ist für mich ein extrem interessantes Laboratorium. Der Körper ist aber auch eine Art Falle, eine Art Trophäe, der Körper ist alles, weil er von Gesellschaft und Politik manipuliert wird, aber das Individuum sich immer wieder an Veränderungen anpasst und überlebt. Der Körper ein Behälter voller Weisheit und Wissen. Meine Art, den Körper und Körperflüssigkeiten wie Blut, Urin oder Sperma zu untersuchen, entspringt dem Glauben an den menschlichen Körper. Mein Werk ist so gesehen sicher anti-zynisch.
VN: Ihre Arbeiten werden oft als provokant bezeichnet . . .
Fabre: Ich will niemanden provozieren. Das ist niemals Ausgangspunkt oder Intention eines Werkes. Aber wenn Provokation Geist und Verstand aufrüttelt, ist sie ein legitimes Werkzeug.
VN: Ist der Tod das zentrale Thema Ihres Schaffens?
Fabre: Alle meine Arbeiten kreisen um die Idee eines Lebens post mortem. Aus der Sicht des Todes wird jede Bewegung und jeder Atemzug zu etwas Einzigartigem. Das schließt den Respekt vor dem Leben mit ein.