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Reporter ohne Grenzen: Regierung missbraucht Krise

ROG fordert weniger die Politiker, sondern mehr Experten.
ROG fordert weniger die Politiker, sondern mehr Experten. ©APA
Die Organisation "Reporter ohne Grenzen" kritisiert den Umgang der Regierungen mit Journalisten während der Coronakrise. Auch Österreich ist dabei von Kritik nicht ausgeschlossen.

Anlässlich der Präsentation des neuen Rankings der weltweiten Pressefreiheit am Dienstag hat die Journalistenorganisation "Reporter ohne Grenzen" (ROG/RSF) davor gewarnt, dass Regierungen die Coronakrise missbrauchen könnten, um verstärkt Medienkontrolle und Druck auszuüben. Auch die Bundesregierung nütze die aktuelle Situation aus, kritisierte Kommunikationsforscher Fritz Hausjell.

Es gebe Regierungen, die die Situation "zum Teil schamlos ausnützen und andere, die das moderat ausnützen", so Hausjell bei einer Online-Pressekonferenz. Mit Corona-bedingten Limitationen der Pressefreiheit regiere es sich offenbar leichter. Doch das werde diesen Politikern "letztlich auf den Kopf fallen", prophezeite Hausjell. Auf die Frage, wo er die heimische Regierung verortet, antwortete der Medienexperte: "Zwischen schamlos und moderat."

Pressefreiheit in Österreich in Gefahr

Die Präsidentin von Reporter ohne Grenzen, Rubina Möhring, stieß ins gleiche Horn. Sie kritisierte die ihrer Meinung nach in der Coronakrise zu häufigen Medienauftritte der Regierung. Politiker sollten beginnen, sich zugunsten von Experten zurückzuziehen und diese zu Wort kommen lassen, "sonst wird es irgendwann mal den Anschein haben, als würde da ein Wahlkampf stattfinden", erklärte Möhring.

Angesichts der aktuellen Entwicklungen zeigten sich sowohl Möhring als auch Hausjell pessimistisch, was eine mögliche Verbesserung der Situation der Pressefreiheit in Österreich betrifft. "Ich habe das Gefühl, dass wir noch weiter abrutschen, aber vielleicht ist das auch der Wind aus Ungarn", sagte Möhring in Anspielung auf die viel kritisierten Maßnahmen der rechtsnationalen ungarischen Regierung von Viktor Orban.

Die politischen Rahmenbedingungen für eine Verbesserung seien jedenfalls nicht gegeben, bemerkte Hausjell mit Blick auf die Medienförderung oder eine fehlende Limitierung der Werbeausgaben für die Regierung. Er rechne deshalb nicht damit, dass sich der negative Trend umkehre, "wenn es so weitergeht".

"Ausgrenzung" der Auslandsjournalisten

Für scharfe Kritik sorgte auch der mit den Corona-Schutzmaßnahmen eingeführte Ausschluss der Auslandskorrespondenten von Pressekonferenzen der Regierung. Dass diese ihre Fragen derzeit nur via Mail stellen können, sei eine Diskriminierung, meinte der Präsident des Verbands der Auslandspresse, Hans-Peter Siebenhaar. Diese Praxis sei in Westeuropa "sehr unüblich", könnte aber leicht geändert werden, so Siebenhaar, der etwa Online-Pressekonferenzen für die Zukunft anregte. Wäre die Regierung darauf bedacht, ein Maximum an Pressefreiheit zu gewährleisten, hätte die Ausgrenzung der Auslandspresse "einfach nicht passieren dürfen", betonte auch Hausjell.

Schon unter der ÖVP-FPÖ-Regierung habe eine "subtile Ausgrenzung" der Auslandspresse stattgefunden, gab Siebenhaar zu bedenken. Nun habe diese aber eine neue Dimension erreicht.

Die Politik der türkis-blauen Regierung unter Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) und ihr Vorgehen rund um die Ibiza-Affäre ist auch verantwortlich für den Verlust von zwei Plätzen im internationalen Ranking der Pressefreiheit (siehe dazu auch APA280 vom Montag). Alles in allem sei dies eine "unglaubliche Verachtung der Medien und damit der Medienfreiheit" gewesen, kommentierte Möhring.

Nadelstiche gegen Journalisten

Unter Türkis-Blau habe es zudem "nahezu im Tagesrhythmus Nadelstiche gegen Journalisten" gegeben, hielt Hausjell fest. Die ÖVP habe das zwar manchmal durch Stellungnahmen abgemildert, habe "dieses Spiel, dieses sehr unsympathische Spiel" aber auch selbst betrieben.

"Wir müssen nun darauf pochen, dass Dinge wieder einigermaßen demokratiepolitisch ins Lot gebracht werden", denn schon jetzt herrsche Feuer am Dach", appellierte der Professor des Instituts für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft an der Universität Wien.

Möhring ortete in ganz Europa eine "Annäherung zu autoritärem Verhalten". Die Coronakrise - sie ist in dem aktuellen Bericht zur Pressefreiheit, der sich auf das Kalenderjahr 2019 bezieht, nicht berücksichtigt - verstärke dies und wirke "wie ein Brandbeschleuniger für autoritäre Tendenzen und repressive Krisenherde".

(APA/red)

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