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Religionskrieg

Der heutige Gastkommentar von Johannes Huber.
Der heutige Gastkommentar von Johannes Huber. ©APA/DPA/FRANK RUMPENHORST
Gastkommentar von Johannes Huber. Die katholische Kirche weiß schon, warum sie das Kopftuchverbot ablehnt. Letzten Endes wird es ihr schaden.

Was Jörg Haider dazu sagen würde? Die Auseinandersetzung um Flüchtlinge und Migranten und unter ihnen wiederum Muslime spitzen sich zu. Immer wieder taucht in diesem Zusammenhang die Warnung vor einem Bürgerkrieg auf. Wobei nicht nur Waffengewalt gemeint ist, sondern auch schon die Unfähigkeit, ganz sachliche Problemanalysen durchzuführen und vor allem auch Diskussionen zu führen: Man hält sich in dem Moment, in dem eine andere Meinung auftaucht, vielmehr die Ohren zu, um das Gegenüber mit „Rechter!“ oder „Linker!“ anzubrüllen. Walter Hämmerle, Chefredakteur der „Wiener Zeitung“, hat dieses Drama in seinem Buch „Der neue Kampf um Österreich“ in beklemmender Art und Weise beschrieben (leider wird das Werk kaum wahrgenommen).

Interessanterweise hat auch Haider einst vor einem Bürgerkrieg gewarnt: Ausgerechnet er, der diesbezüglich selbst sehr viel Schuld auf sich geladen hat, schrieb in seinem Grundsatzprogramm „Die Freiheit, die ich meine“ 1993, dass linke und rechte Extremisten „die Ausländerfrage“ zum Äußersten treiben könnten; und dass „diesen Apologeten des Bürgerkriegs“ daher „mit der vollen Härte des Gesetzes entgegengetreten“ werden müsse.

Die Eskalation läuft. Unter etwas anderen Vorzeichen, als sie der vor zehn Jahren verstorbene Haider erahnen konnte, aber doch. Siehe „Kopftuchverbot“: Wenn wir ein Problem damit haben, dass über äußere Zeichen die Religionszugehörigkeit zum Ausdruck gebracht wird, dann müssen wir das grundsätzlich angehen. Und wenn wir der Meinung sind, dass dies nur in ganz bestimmten, muslimischen Fällen nicht geduldet werden kann, dann sollten wir uns das betreffende Phänomen zunächst einmal sehr genau anschauen.

Beim Kopftuchverbot für Kindergarten- und Volksschulkinder geschieht das nicht. Es soll auf Initiative von ÖVP und FPÖ ganz einfach eingeführt werden. Darüber diskutieren wollen sie nicht. Versprochene Fakten bleiben sie schuldig. Gerade einmal aus Tirol ist bekannt, dass 19 von insgesamt 1910 muslimischen Mädchen im Alter von sechs bis zehn Jahren ein Kopftuch tragen.

Schwarz-Blau gibt vor, zu ihrer Befreiung schreiten zu müssen. Doch erreichen sie das damit wirklich? Sind nicht eher radikalisierte Burschen das Problem, die gewöhnliche Kleidung tragen? Ganz zu schweigen von gewissen Eltern? Wäre es vor diesem Hintergrund nicht vernünftiger, zum Beispiel zu verpflichtenden Ganztagskindergärten und -schulen für alle zu schreiten, die das nötig haben? Bildung ist schließlich die wirkungsvollste Kampfansage gegen jeglichen Radikalismus. Oder etwa nicht? Zumindest prüfen könnte man solche Fragestellungen. Doch dafür ist kein Raum mehr.

Das bloße Kopftuchverbot, das ausschließlich gegen Muslime gerichtet ist, muss kommen. Und basta. Schlimm ist, dass damit ein Prozess in Gang gesetzt wird, der zum Nachteil sämtlicher Religionen und auch der gesamten Gesellschaft ist. Die Bischofskonferenz der katholischen Kirche weiß schon, warum sie dagegen auftritt. Nicht nur, dass das Verbot gegen Religionsfreiheit, das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens sowie das Erziehungsrecht der Eltern verstoßen könnte, wie die Kirche ausdrücklich meint; es könnte sich irgendwann auch gegen Katholiken wenden. Tatsächlich verlangen die Neos bereits, konsequenterweise überhaupt alle Schulen zu „religionsfreien Räumen“ zu erklären.

„Wer sind schon die Neos könnte?“, könnte man jetzt einwenden. Doch Vorsicht: Unsere Gesellschaft wird immer bunter. Und vor allem auch die Säkularisierung wird weiter um sich greifen. Ein Kreuzzug zur Verteidigung des christlichen Abendlandes, wie er da und dort propagiert wird, ist auch so gesehen vollkommen daneben. Wichtiger wäre es vielmehr, Dialogfähigkeit zu demonstrieren und zu einem Bewusstseinsbildungsprozess darüber zurückzukehren, was die Rechte und Pflichten aller Teile der Gesellschaft gleichermaßen sind. Sonst wird’s ganz gefährlich.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik

 

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