Europaweit nutzen die Bürger Präsidentenwahlen, um ihrer Regierung einen Denkzettel zu erteilen. Nur der Finne Sauli Niinistö schaffte es 2016 aus der "Pole Position" an die Staatsspitze, überall sonst hatten Regierungskandidaten in der Volkswahl das Nachsehen. Selbst Amtsinhaber haben es schwer, dem Anti-Establishment-Trend zu trotzen.
Regierungskandidaten haben bei Präsidentenwahl schlechte Karten
Ein Beispiel dafür ist die kroatische Präsidentin Kolinda Grabar-Kitarović. 2015 in einer Denkzettelwahl gegen die damalige Linksregierung ins Amt gekommen, verpasste sie fünf Jahre später die Wiederwahl. Zwischendurch waren nämlich ihre konservativen Parteifreunde an die Regierung gekommen, gegen die der frühere sozialdemokratische Ministerpräsident Zoran Milanović erfolgreich agitierte. Milanović konnte Grabar-Kitarović so das Amt abjagen. Beinahe war es dem polnischen Präsidenten Andrzej Duda ähnlich ergangen. Der Rechtskonservative setzte sich bei der Wahl 2020 nur ganz knapp gegen seinen rechtsliberalen Herausforderer Rafal Trzakowski durch. Fünf Jahre davor hatte Duda als Oppositionspolitiker bei der Präsidentenwahl den Machtwechsel hin zur rechtskonservativen Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) eingeleitet.
Sieg für Oppositonspolitiker bei Präsidentenwahlen in der Slowakei
In der Slowakei brachten die beiden jüngsten Präsidentenwahlen Oppositionspolitiker an die Macht. Im Jahr 2014 hatte der linksgerichtete Premier Robert Fico gegen den liberalen Quereinsteiger Andrej Kiska keine Chance, fünf Jahre später setzte sich ebenfalls die liberale Oppositionelle Zuzana Čaputová durch. Die Linksregierung hatte 2019 sogar den angesehenen EU-Kommissar als "unabhängigen" Kandidaten Maroš Šefčovič aufgeboten, doch war auch er machtlos gegen die Wechselstimmung.
Präsidentenwahl 2016 in Bulgarien mit Sieg von Rumen Radew
In Bulgarien besiegte der sozialistische Ex-General Rumen Radew bei der Präsidentenwahl 2016 die konservative Regierungskandidatin Zezka Zatschewa deutlich, fünf Jahre später wurde er im Kontext einer noch stärkeren Anti-Regierungs-Stimmung im Amt bestätigt. Bei der litauischen Präsidentenwahl 2019 schied der damalige Regierungschef Saulius Skvernelis bereits im ersten Wahlgang aus. In der Stichwahl gewann der unabhängige Ex-Notenbanker Gitanas Nauseda gegen die Bewerberin der größten Oppositionspartei, Ingrida Šimonyte.
Oppositionelle kamen auch in anderen EU-Staaten in das Präsidentenamt
Aus der Oppositionsrolle ins Präsidentenamt kamen auch Borut Pahor (Slowenien, 2012), Nikos Anastasiades (Zypern, 2013), Miloš Zeman (Tschechien, 2013). Klaus Johannis (Rumänien, 2014) und Marcelo Rebelo de Sousa (Portugal, 2016). Sie alle schafften die Wiederwahl. Dies gilt auch für den französischen Präsidenten Emmanuel Macron, der sich vor seinem ersten Wahlsieg ebenfalls einen Oppositionsmantel verpasste. Der kurzzeitige Wirtschaftsminister in der Regierung des Sozialisten Francois Hollande ging bei der Wahl 2017 mit einer eigenen Bewegung auf Stimmenfang. Den Denkzettel erhielt der heuer wiedergewählte Präsident, indem seine Bewegung bei der Parlamentswahl überraschend die Mehrheit verlor.
Präsidentenwahl 2011 ging glimpflich für irische Regierung aus
Etwas glimpflicher ging es für die irische Regierung aus. Bei der Präsidentenwahl 2011 landete der Kandidat der Premierspartei Fine Gael (FG) zwar nur auf dem dritten Platz, doch der Sieg blieb immerhin in der Koalitionsfamilie. Zum Staatspräsidenten wurde nämlich Michael Higgins von der damals mitregierenden Labour Party gewählt. Im Jahr 2016 schaffte er mühelos die Wiederwahl.
In 14 von 27 EU-Staaten wird Präsident in Volkswahl gewählt
14 der 27 EU-Mitgliedsstaaten bestimmen ihr Staatsoberhaupt in einer Volkswahl. Es sind dies Bulgarien, Finnland, Frankreich, Irland, Kroatien, Litauen, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, die Slowakei, Slowenien, Tschechien und Zypern.
Vom Parlament werden Präsidenten in sieben EU-Staaten gewählt
Vom Parlament werden die Präsidenten in sieben Staaten gewählt: Deutschland, Estland, Griechenland, Lettland, Italien, Malta und Ungarn. In sechs weiteren EU-Staaten wird das Staatsoberhaupt nicht auf demokratischem Wege bestimmt. Dänemark, Belgien, Luxemburg, die Niederlande, Schweden und Spanien sind konstitutionelle Monarchien. Das Amt wird innerhalb der jeweiligen Königsfamilie vererbt. Die politischen Entscheidungen werden in diesen Ländern von den sich auf eine Parlamentsmehrheit stützenden Regierungen getroffen.
(APA/Red)