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Rechts und Links an einem Tisch

Johannes Fitz (r.) und Sandro Tsipouras (l.) trafen sich bei WANN & WO, um über Migration und Spaltung zu diskutieren.
Johannes Fitz (r.) und Sandro Tsipouras (l.) trafen sich bei WANN & WO, um über Migration und Spaltung zu diskutieren. ©Sams
Die Gesellschaft ist gespalten, gibt es nur noch schwarz oder weiß? W&W hat zwei Vertreter unterschiedlicher Lager eingeladen.

Von: Anja Förtsch (WANN & WO)

WANN & WO: Migration ist ein Thema, an dem sich die Gesellschaft spaltet. Was sind eure Meinungen zum Thema Zuwanderung?

Sandro Tsipouras (Sozialistische Jugend): Ich finde, die Grenzen verlaufen nicht zwischen den Völkern, sondern zwischen oben und unten. Dieser ganze Diskurs, dass die Migranten herkommen und uns etwas wegnehmen, dass sie uns auf der Tasche liegen würden und dass sie Schuld daran seien, dass es nicht genug Mindestsicherung gibt, das sind alles Ablenkungsmanöver. Den Reichen hier geht es so gut wie nie, Österreich ist eines der Länder mit der größten Vermögensungleichheit. Würde man die Reichen so besteuern, wie in anderen Industrieländern, wäre genug für alle da.

Johannes Fitz (Freiheitliche Jugend): Man muss unterscheiden, von welcher Migration man spricht. Geht es um Armutsmigration oder Flucht? Es gibt noch im Hinblick auf Fachkräftemangel die Migration, die wir für unsere Wirtschaft benötigen. Ich denke, wir können sicher sagen, dass wir beide für Migration von Fachkräften sind.

Sandro Tsipouras: Nein, das würde ich nicht sagen. Ich bin streng dagegen, dass man Menschen nach ihrer ökonomischen Nützlichkeit sortiert und sagt: Der kann bleiben, den können unsere Unternehmen gebrauchen und der kann nicht bleiben, weil er das Falsche gelernt hat. Ich denke grundsätzlich hat jeder Mensch ein Bleiberecht.

Johannes Fitz: Aber wir können doch nicht alle aufnehmen, die sozial schlechter gestellt sind, oder?

Sandro Tsipouras: Die Frage dabei ist ja, warum das nicht geht. Wenn man zum Beispiel die Vermögenssteuern in Österreich auf den Durchschnittswert der OECD-Länder heben würde, dann hätte man auf einen Schlag 4,8 Milliarden Euro mehr im Staatshaushalt zur Verfügung. Davon ließen sich alle Integrations- und Rehabilitationsmaßnahmen finanzieren. Und was ist die Alternative? Dass man Menschen in Länder abschiebt, wo sie offensichtlich nicht leben können, denn sonst wären sie nicht hier. Es geht nicht darum, dass man Sozialamt für die Welt spielt und jeden aufnimmt, aber die Frage ist eben, warum kommen die Leute hierher? Es ist ja nicht so, dass diese Menschen sagen: Österreich ist so schön, da gibt es so ein schönes Sozialsystem und deswegen will ich dahin. So sieht die Realität einfach nicht aus.

Johannes Fitz: Dann ist ja aber die Frage, warum sie nicht in Italien, Tschechien oder Polen bleiben. Warum suchen sie sich genau die drei Länder Österreich, Deutschland und Schweden aus? Das muss ja einen Grund haben. Und ich glaube nicht, dass es dabei nicht um wirtschaftliche Gründe geht. Das werfe ich den Flüchtlingen nicht vor, ich würde es in ihrer Situation gleich machen. Aber dass das auf Dauer nicht geht, ist für mich einfach eine Frage des Hausverstands.

Sandro Tsipouras: Ich kenne die Situation in Griechenland, ich habe griechische Wurzeln. Dort bekommen die Leute gar keine Unterstützung vom Staat, sie werden einfach auf die Straße gesetzt. Dann ist der logische Entschluss, weiter in den Norden zu gehen, wo die Staaten sich besser um sie kümmern. Das muss man angreifen! Man muss doch schauen, warum ist Griechenland nicht bereit, ihnen ein menschenwürdiges Leben zu geben?

WANN & WO: Woher kommt diese Spaltung, warum gehen die Meinungen so weit auseinander?

Sandro Tsipouras: Entscheidend ist, dass die Regierungsparteien gezielt eine Sündenbockpolitik betreiben. Die Menschen haben verschiedene Probleme: Die Reallöhne stagnieren seit 30 Jahren, die Lebenserhaltungskosten steigen immer weiter. Die Menschen sind frustriert. Und da ist es leicht, „den Fremden“ die Schuld zu geben. Man sieht es aktuell bei der Mindestsicherung. Es wird gesagt: Wir haben eine Einwanderung ins So-zialsystem und deswegen müssen wir die Mindestsicherung kürzen. Was Blödsinn ist, denn das Geld wäre da, wenn man es sich an der richtigen Stelle holen würde. Würde man aufhören, Reiche besser zu behandeln als fast alle anderen Länder, gäbe es kein Problem, staatliche Ausgaben zu finanzieren, erst recht nicht im Sozialsystem.

Johannes Fitz: Ich arbeite in der Finanzverwaltung und habe Einblick in die Vermögensverhältnisse im Land. Es ist natürlich ein Problem, dass es sehr viele Reiche gibt und sehr viele, die sehr wenig haben. Aber ich weiß auch, dass es keine realistische Chance gibt, an die Reichen ranzukommen. Die Frage ist auch, wo man ansetzt. Jemand, der hier ein Haus kauft, muss dafür schon fast eine Million Euro in die Hand nehmen. Ist das schon ein Reicher?

WANN & WO: Wo siehst du stattdessen den Grund für die Spaltung?

Johannes Fitz: Ich sehe das gar nicht so, dass die Gesellschaft gespalten ist. Ich merke natürlich, dass es Gruppen gibt, die sich nicht so verstehen. Aber das gehört doch dazu. Ich habe es so satt, dass die Menschen nicht mehr über Themen streiten und nicht mehr diskutieren.

WANN & WO: Aber die Diskussion hat doch Schärfe angenommen, gerade im Internet.

Johannes Fitz: Ich persönlich halte sehr viel aus und mag es, wenn Dinge außerhalb der Komfortzone stattfinden.

WANN & WO: Geht es nicht hier und da schon ein Stück zu weit aus der Komfortzone heraus?

Johannes Fitz: Natürlich, bei Hasskommentaren und Ähnlichem werden Grenzen überschritten und das gehört auch gesetzlich verfolgt. Aber alles, was erlaubt ist, muss eine Demokratie aushalten.

Sandro Tsipouras: Findest du, dass die Demokratie dieses Skandalvideo der FPÖ aushalten sollte, mit dem gezeichneten „Ali“, der nun nicht mehr betrügen kann, weil jetzt Fotos auf den eCards sind?

Johannes Fitz: Sie haben es ja wieder zurückgenommen.

Sandro Tsipouras: Sie haben es wieder zurückgenommen, aber sie haben es gemacht.

Johannes Fitz: Sie haben es gemacht, das ist richtig.

WANN & WO: Findet auch in den Köpfen eine Spaltung statt?

Johannes Fitz: Ich habe das Gefühl, dass das Pendel gerade wieder zurückschlägt. Früher dachte man – von meiner Perspektive aus – eher links und jetzt schlägt es eben in die andere Richtung. Ich finde weder die eine noch die andere Seite tragisch. Das ist eben so.

Sandro Tsipouras: Man sieht auf jeden Fall eine krasse Polarisierung. Leute, die am liebsten jeden sofort abschieben wollen, aber auch Leute, die zu Tausenden auf die Straße gehen, um gegen diese Abschiebepolitik zu demonstrieren. Ich denke aber nicht, dass die Menschen von sich aus zu Rassisten werden, sondern weil das gezielt von der FPÖ und in geringerem Ausmaß von der ÖVP geschürt wird.

Johannes Fitz: Man wirft der FPÖ oft vor, dass sie Ängste schürt. Ich bin da anderer Meinung. Die Menschen haben eben Ängste und die FPÖ verleiht diesen Ausdruck. Aber man kann keine Ängste schüren, wo keine sind.

WANN & WO: Was denkt ihr, wo die Situation hinführt?

Sandro Tsipouras: Ich sehe nicht, dass der Rassismus in der Gesellschaft immer schlimmer wird. Ich denke eher, dass die Menschen merken werden, dass die einfachen Lösungen der Regierung, das Hinhauen auf Ausländer, das Erhöhen der Abschiebungen, die Kürzung von Leistungen, keines ihrer Probleme löst.

Johannes Fitz: Ich glaube nicht, dass die Menschen von der Regierung enttäuscht sein werden. Sie wurde genau mit diesen Zielen gewählt und setzt sie jetzt um. Dafür hat es eine Mehrheit gegeben und ich denke, das wird noch die nächsten Jahre so sein.

WANN & WO: Braucht es also keine Anstrengungen, um diese Spaltung zu überwinden?

Sandro Tsipouras: Ich werde auf keinen Fall sagen: Es ist gut, wenn sich die Menschen vertragen und schlecht, wenn sie sich streiten unter völliger Abziehung vom Inhalt. Ich finde es gut, wenn die Menschen keine Rassisten sind und ich finde es schlecht, wenn sie es sind. Und wenn man die Fremdenfeindlichkeit erst einmal konfrontieren muss, um ihn zu besiegen, dann bin ich auch nicht gegen eine Spaltung. Die Positionen, zwischen denen gespalten wird, finde ich wichtiger als die Frage: Spaltung, ja oder nein?

Johannes Fitz: Ich finde es gut, dass es unterschiedliche Positionen gibt und die sollen auch miteinander sprechen.

WANN & WO: Findest du, dass dieses Sprechen miteinander auch wirklich stattfindet?

Johannes Fitz: Wir tun es ja hier gerade.

Sandro Tsipouras

… ist Landesvorsitzender der Sozialistischen Jugend Vorarlberg, der größten, linken Jugendorganisation Österreichs. Sie unterhält ein enges Verhältnis zur SPÖ.

Johannes Fitz

… ist Landesobmann der Freiheitlichen Jugend Vorarlberg, die zum Ring Freiheitlicher Jugend (RFJ) gehört und eine Vorfeldorganisation der FPÖ darstellt. Der RFJ wird häufig beschuldigt, offen fremdenfeindlich zu sein.

(WANN & WO)

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