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Rechtlos

©APA/HELMUT FOHRINGER
Gastkommentar von Johannes Huber. FPÖ-Chef Herbert Kickl hat kein Problem mit rechtsextremen Vorstellungen. Gerade auch weil sie so weit gehen.

Im vergangenen Herbst ist Martin Sellner, ein rechtextremer Aktivist aus Österreich, unter anderem mit Vertretern der „Alternative für Deutschland“ (AfD) in einem Hotel unweit von Berlin zusammengesessen, um Ideen zu erörtern. Konkret zu „Remigration“.

Durchaus auch eigene Staatsangehörige, die über einen Migrationshintergrund verfügen, sollten im großen Stil außer Landes gebracht werden. Zum Beispiel in einen „Musterstaat“ in Nordafrika, in dem bis zu zwei Millionen Menschen leben könnten. Es sollte auch die Möglichkeit geben, Geflüchtetenhelfer dorthin zu bringen. Das ist durch das Recherchezentrum „Correctiv“ bekannt geworden.

FPÖ-Obmann Herbert Kickl hat kein Problem mit diesen Vorstellungen. Warum auch? Sellners „Identitäre Bewegung“ ist von ihm schon einmal als „NGO wie Greenpeace“ bezeichnet worden. Dabei handle es sich um ein „interessantes und unterstützenswertes Projekt“, wie er betonte. Außerhalb der eigenen Reihen, insbesondere bei Sozialdemokraten und Grünen, hat er damit überrascht: Sein Vorgänger Heinz-Christian Strache hatte sich als Vizekanzler und auf Druck des damaligen Regierungschefs Sebastian Kurz (ÖVP) noch distanziert von dieser Bewegung. Er selbst pfeift jedoch gezielt darauf, ja er umwirbt die Rechtsextremen.

Auch jetzt gibt er die Positionen, die vom Treffen in Deutschland berichtet werden, nur abgemildert wieder: Er verstehe die „Aufregung“ nicht, erklärte er in einem „ZIB 2“-Interview, um den Begriff „Remigration“ zu deuten, wie es ihm passt: Es gehe um die Abschiebung von Menschen, deren Asylstatus abgelaufen sei. Und was die Aberkennung der Staatsbürgerschaft angelangt, meinte er, dass Menschen davon betroffen sein sollten, die zu Lebzeiten Österreicher geworden sind, aber die Gesellschaft und „unsere Werte“ angreifen.

So weit ist noch kein FPÖ-Politiker gegangen. Es zeigt, welche Funktion Rechtsextreme für Kickl haben: Sie nehmen Grenzüberschreitungen vor. Kickl folgt dann vielleicht nicht ganz so weit, jedenfalls aber weiter als es bisher möglich schien.

Zweitens: Mit „Remigration“ lassen sich ebenso wirkungsvoll Bilder in den Köpfen vieler Menschen auslösen wie mit der Kickl’schen „Festung Österreich“. Es wird der Vorstellung gerechnet, dass man eine Masse, die gekommen ist, einfach nehmen und an einen fernen Ort verfrachten kann. Ähnlich verhält es sich bei der Aberkennung der Staatsbürgerschaft: Wer sich nicht anpasst, wie man es sich erwartet, verliert kurzerhand das Privileg, Österreicher zu sein.

Zum Schlimmen gehört, dass hier Illusionen bedient werden, die selbst ein absolut herrschender „Volkskanzler“ nicht durchsetzen könnte. Beziehungsweise wenn, dann ausschließlich annäherungsweise in einem rechtsfreien Raum.

Menschen, die einmal in Österreich sind, kann man nicht einfach nach Afrika bringen. Nicht nur, weil die wenigsten, die als Flüchtling kommen, ursprünglich von dort sind. Sondern weil sich um Deportation handeln würde und sich dort im Übrigen kein Land finden wird, in das sie gebracht werden könnten.

Ein „Versuchsstaat“ in Nordafrika kann abgesehen davon nur als Lager verstanden werden. Und zwar als riesiges, in dem bis zu zwei Millionen Männer und Frauen ohne Perspektive festgehalten werden.

Die Staatsbürgerschaft reihenweise abzuerkennen, geht ebenfalls nicht. Jeder Mensch hat das Recht auf eine Staatsangehörigkeit. Und das kann man auch nicht so lösen, dass man jemanden zwingt, zu seiner ursprünglichen zurückzukehren. Das wird der betreffende Staat kaum zulassen.

Und überhaupt: Was ist denn das für ein Maßstab, jemanden, weil er gegen „unsere Werte“ ist, staatenlos zu machen, in gewisser Weise also rechtlos? Welche Werte? In einer pluralistischen Gesellschaft, in dem es Rechte und Linke oder etwa Katholiken und Atheisten gibt, kann es nur ein Kriterium geben: Rechtsstaatlichkeit, die insbesondere universelle Menschenrechte beachtet. Und die von Kickl insofern mit Füßen getreten wird.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik

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