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Reaktionen der Weltpresse auf Prozess gegen Josef F.

Empörung, Mitgefühl, Gesellschaftskritik: So hat die Presse in Süd- und Südosteuropa auf den Prozess gegen Josef F. reagiert.

 ”Oslobodjene” (Bosnien-Herzegowina) kritisiert Österreichs Demokratie: “Jetzt, wo F. vom Status eines Angeklagten in den Status eines verurteilten Verbrechers verfrachtet worden ist, bleibt zu erwarten, dass sich die österreichische Öffentlichkeit mit einem großen Problem befasst. Nämlich, wie ungesittete, skandal- und sensationslüsterne Journalistendilettanten und Medien Herrn F. vorverurteilt und ihn bereits vor dem Urteil einen Inzest-Verbrecher und Vergewaltiger, abscheulichen Verbrecher und sogar Monster genannt haben. (…) In den vergangenen Monaten war in den Internetausgaben der österreichischen Zeitungen keine Spur für ein Bewusstsein der dortigen Öffentlichkeit über die Unzulässigkeit dieser Art öffentlichen Diskurses zu finden.”

“Index.hr” (Kroatien) sieht einen Zusammenhang zum Nationalsozialismus: “Der Fall F. hat uns über Monate fasziniert. Fasziniert hat uns die Tatsache, dass so etwas in einem gesitteten Land wie Österreich passieren konnte, dass F. das vor den Augen seiner Frau, seiner Untermieter, der Nachbarn, der Polizei und eines ganzen Städtchens machen konnte. Es wurden auch phänomenologisch-geografische Traktate über Österreich geschrieben, einem Land, das spezifische zwischenmenschliche Beziehungen pflegt, ganz nach der Philosophie ‘Nichts fragen, nichts sagen’. Auf sie wurde auch bei der Erinnerung an die nationalsozialistische Vergangenheit geschworen.”

“Vecernji list” (Kroatien) sucht die Schuld in der Gesellschaft: “F. und die Gerechten. Die (globale) Gesellschaft hat nun mit dem ‘Monster aus Österreich’ abgerechnet und dabei aus dem Gedächtnis verloren, dass F. in dieser bizarren Geschichte nicht vom Mars heruntergefallen ist. Vielmehr hat er seine Verbrechen begangen, in dem er den Freiraum genutzt hat, den ihn ebendiese Gesellschaft großherzig zur Verfügung gestellt hat.”

“La Vanguardia” (Spanien/Katalonien) übt Kritik an der eigenen Justiz: “Lebenslänglich für das Monster. In 15 Jahren wird über dieses Urteil neu befunden werden. Das wirft wieder die Frage auf: Verurteilen wir, um zu rehabilitieren oder um zu strafen? In Spanien haben wir seit 2003 praktisch eine Höchststrafe von 40 Jahren, terroristische Aktivitäten ausgenommen. Es reicht daher nicht, die Verurteilung des österreichischen Monsters zu beklatschen, während die eigenen Monster weiter frei herumlaufen.”

“Dnevnik” (Slowenien/Ljubljana) plädiert für Zivilcourage: “Solche Psychopathen und Familien, die durch gewalttätige Beziehungen in Gefangenschaft geraten, gibt es viele auf der Welt, sie leben in allen Völkern und allen Gesellschaften; in den meisten Fällen handelt es sich wie bei F. um einen angenehmen Nachbarn und erfolgreichen Unternehmer, mit einer Vorzeigefamilie und gut erzogenen Kindern. Man muss sich somit nicht fragen, welche psychopathischen Beweggründe F. geleitet haben und wie sehr ihm in seiner Perversität sein Volk ähnlich ist, sondern, warum die Gesellschaft nicht angemessene Mechanismen entwickelt hat, solche Taten zu verhindern. F. hat seine Tochter nicht nur im Keller vergewaltigt. (…) Hat wirklich niemand der Sozialarbeiter, Nachbarn, Bekannten und Verwandten etwas bemerkt, zumal die Schwägerin den Medien jetzt freimütig erzählt, wie F. seine Frau und seine Kinder jahrelang geschlagen hat? Ein viel größeres Problem der Gesellschaft, nicht nur der österreichischen, sondern auch der unseren, ist, dass die Menschen gewisse Dinge nicht sehen wollen, sich abwenden und unter dem Vorwand, dass niemand das Recht hat, sich in das Leben fremder Leute einzumischen, jenen die Hilfe verweigern, die sie dringend benötigen würden, aber manchmal weder den Mut noch die Kraft haben, darum zu bitten.”

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