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Randale am Südbahnhof

Im Prozess gegen die vier Jugendlichen, die in einem Zugabteil ein Feuergelegt und wenige Tage später bei 23 Waggons und Triebfahrzeugen die Scheiben eingeschlagen haben, wurde nun das Urteil gesprochen.

“Hearns, des is’ a Wahnsinn! Sie ziehen da a Spur der Verwüstung! Sie san a Stund’ lang mit Nothämmern durch die Waggons gangen und ham ois eing’schlag’n”, gab sich Richterin Daniela Zwangsleitner am Montag im Wiener Straflandesgericht fassungslos. Schuldbewusst senkten die jugendlichen Angeklagten – drei Burschen und ein Mädchen – im Alter zwischen 15 und 18 ihre Köpfe: Das Quartett hatte am 26. Dezember 2009 am Südbahnhof bei 21 abgestellten Waggons und zwei Triebfahrzeugen sämtliche Außen- und Innenscheiben zerstört.

Dabei hatten sich die Burschen nur wenige Tage vorher am selben Bahnhof erstmals als Vandalen betätigt, indem sie sich in ein Zugabteil setzten, aus Fahrplänen, Magazinen und Klopapier einen Haufen errichteten und diesen in Brand steckten. Der Jüngste fotografierte dann mit seinem Mobiltelefon die lodernden Flammen.

300.000 Euro Schaden

Die ÖBB bezifferten in der Verhandlung den Gesamtschaden mit rund 300.000 Euro. Dieser ist versicherungsrechtlich nicht gedeckt. Die Burschen wurden daher zur zumindest teilweisen Schadensgutmachung und wegen schwerer Sachbeschädigung zu Haftstrafen zwischen 14 und 18 Monaten verurteilt, die durchwegs zur Gänze unbedingt ausfielen. Alle drei weisen bereits Vorstrafen auf. Das bisher unbescholtene Mädchen erhielt eine teilbedingte Strafe von zehn Monaten.

Die Urteile sind bereits rechtskräftig.

Die vier Jugendlichen stammen allesamt aus äußerst tristen familiären Verhältnissen und gingen mit einer Ausnahme – einer der Burschen arbeitete als Bäckerlehrling – keiner Beschäftigung nach. Ihre reichliche Freizeit verbrachten sie gern am Südbahnhof. In den Nachtstunden drangen sie oft in abgestellte Garnituren ein, leerten mitgebrachten Alkohol und betrieben das sogenannte S-Bahn-Surfing, indem sie sich an den letzten Waggon von abfahrenden Zügen hängten und erst absprangen, als es ihnen zu schnell wurde.

Der 15-Jährige dürfte die Anführer-Rolle inne gehabt haben: Mit sechs hat er seinen Vater verloren, der sich in einem Zug eine Überdosis Drogen verabreicht hatte. Seine Mutter sah der Bub seinen Angaben zufolge das letzte Mal, als er zehn war. Mit elf begann er zu trinken. Die Schule brach er ab, “weil es keinen Sinn mehr gehabt hat”, wie er nun zu Protokoll gab. Auf die richterliche Frage nach seiner Perspektive meinte der 15-Jährige: “Die ist schlecht.” Im Gefängnis – Anfang Jänner wanderten er und seine Komplizen in U-Haft – lässt er sich gegen seine Alkoholsucht und seine Depressionen behandeln.

Drogentod des Vaters wohlmöglich Ursache

Sein Verteidiger vermutete, dass der Drogen-Tod des Vaters in einem Zugabteil mit der am Südbahnhof an den Tag gelegten Zerstörungswut in Verbindung gestanden haben könnte.

Der 15-Jährige kam zunächst auf die Idee, in einem Zug Feuer zu legen. Seine Freunde – ein Brüderpaar, deren Vater sie regelmäßig geschlagen hatte, weshalb einer von ihnen in ein Erziehungsheim flüchtete – machten mit. Sie rissen ebenso die Nothämmer aus der Verankerung, als der 15-Jährige nach Weihnachten alle Zugfenster einschlagen wollte. An diesem Abend war auch ein 16-jähriges Mädchen dabei, das von der Stiefmutter großgezogen wird, weil die leiblichen Eltern verschwunden sind.

“Es war ein gutes Gefühl”

“Es war ein gutes Gefühl, das gebe ich zu”, gestand der 15-Jährige, der vermutlich die Scheiben weiterer Waggons eingeschlagen hätte, hätte er sich nicht geschnitten und stark zu bluten begonnen. Über das Blut kam man den Vandalen auf die Spur: Der biologische Fingerabdruck des bereits vorbestraften 15-Jährigen befand sich in der DNA-Datenbank .

Das Mädchen meinte zur Richterin, “nicht viel nachgedacht” zu haben: “Am Anfang hat es ehrlich gesagt aber schon ein bisschen Spaß gemacht.” Der 18-Jährige gab zu bedenken, er habe “nicht als Außenseiter dastehen wollen” und daher mitgemacht. Sein jüngerer Bruder ersuchte das Gericht um ein mildes Urteil, um bald aus dem Gefängnis zu kommen: Die Freundin des 16-Jährigen wird in einem halben Jahr Mutter.

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