"Quo vadis, Aida?" ist zweifelsohne ein hartes Werk - hart im Sinne seines Themas, hart im Umgang. Regisseurin Jasmila Zbanic blickt mit ihrer österreichischen Koproduktion, die von Bosnien-Herzegowina zum Auslandsoscar eingereicht wurde, auf eines der verdrängten, vergessenen Traumata der jüngeren Geschichte: das Massaker von Srebrenica. Ein starker Film, der nach seiner Weltpremiere bei den Filmfestspielen von Venedig ab Freitag nun im Kino zu sehen ist.
Quo vadis, Aida? - Kurzinhalt zum Film
Bereits 2006 hatte die aus Bosnien stammende Zbanic für ihr ebenfalls österreichisch koproduziertes Debüt "Esmas Geheimnis" den Bosnienkrieg zum Thema gewählt und damals den Goldenen Bären der Berlinale gewonnen. Und auch "Quo vadis, Aida?" rückt wieder die seltene Perspektive einer Frau auf den Krieg ins Zentrum.
Bis auf einen kurzen Prolog und einen marginal längeren Epilog fokussiert Zbanic auf letztlich wenige Stunden im Juli 1995, als die vermeintliche UN-Schutzzone Srebrenica von den bosnisch-serbischen Truppen unter General Ratko Mladic überrannt wurde. Die niederländischen Schutztruppen mussten letztlich tatenlos dabei zusehen, wie 8.732 männliche Zivilisten von den Serben entgegen anderer Zusagen exekutiert wurden.
Die einstige Lehrerin Aida (Jasna Duricic) ist nach Jahren des Krieges Englischübersetzerin für die UN-Truppen. Ihr Mann und ihre beiden Söhne suchen beim Heranrücken der bosnisch-serbischen Armee wie Tausende anderer Schutz im UNO-Camp. Unterdessen wird über die Evakuierung der Zivilisten verhandelt - während Aida alsbald klar ist, was den Männern blüht. Verzweifelt versucht sie, ihre Familie zu retten.
Quo vadis, Aida? - Die Kritik
Aida ist als Übersetzerin eine liminale Figur, die zwischen den Welten steht. Sie hat mehr Informationen als die übrigen Opfer und ist doch als Frau gefangen im Kriegsspiel der Männer. Zugleich ist Aida kein Opfer im Sinne einer persönlichen Schwäche, sondern ein starker Mensch, der kämpft und lediglich an den übermächtigen Umständen scheitert.
Sie ist eine Mutter, die auch in der desperaten Situation des überfüllten Camps ihren erwachsenen Sohn ermahnt, wenn er raucht und zugleich später selbst an einem Joint ziehen wird, als die Lage sich immer mehr zuspitzt - Initialzündung für den einzigen Flashback des Films, in dem Regisseurin Zbanic bei einem ausgelassenen Frisurencontest Menschen an der Kamera vorbeitanzen lässt. Die namenlosen und für die Hauptnarration bedeutungslosen Charaktere blicken den Betrachter direkt an, stehen Pars pro toto für einen Widerschein des alten, verlorenen Lebens.
Immer wieder fokussiert "Quo vadis, Aida?" auf Einstellungen mit Gesichtern, etabliert ein Bildregime der Blicke. Die Grazer Kamerafrau Christine A. Maier zeichnet dafür immer wieder Stillleben, Bilder aus Licht und Schatten, die den Film von pseudoauthentischer Handkameraästhetik entrücken und ihn doch nicht überstilisieren. Diese werden gegen das wachsende Durcheinander, das Chaos gestellt. Die Zuschauer sind verortet, und doch verzichtet Zbanic, die auch das Drehbuch für ihren Film verfasst hat, auf Übererklärungen.
Innerhalb ihrer Protagonisten weiß die Filmemacherin dabei sehr fein zu differenzieren, zeigt ohne Pathos Aidas Dilemma und die Hilflosigkeit des niederländischen Kommandanten Thomas Karremans (Johan Heldenbergh), der selbst von seinen Vorderen verraten wird, letztlich vor der Übermacht kapituliert und seine Schutzbefohlenen im Stich lässt. Die Antagonistenseite, allen voran der nur vor der Propagandakamera gönnerhaft agierende, präpotente Mladic (Boris Isakovic), ist hingegen das umfassende Böse, das sich auf Doppelzüngigkeit und die schiere Macht der Gewalt versteht.
Das eigentliche Massaker zeigt "Quo vadis, Aida?" nicht. Die Kamera zieht sich hier pietätvoll zurück und lässt einem Epilog Raum, in dem die ob des Schmerzes gealterte Aida in ihre einstige Wohnung zurückkehrt, in der sich ihre damaligen Peiniger niedergelassen haben - darunter als Ehefrau die Wienerin Edita Malovcic ("Blutgletscher"). Am Ende ist Aida wieder als Lehrerin tätig und beobachtet ihre Schüler bei einer Schulaufführung. Vor den einstigen Tätern und Opfern, die nun wieder gemeinsam im Publikum sitzen, vollziehen sie eine Tanzgeste des Sehens und des Augenverschließens. Eine stille Metapher auf den Umgang der Welt mit Srebrenica.
(APA/Red)