Prozess in Wien: 26-Jährige stach Freund Messer in die Brust

Die 26-jährige Frau wurde zu 38 Monaten unbedingter Haft verurteilt. Zudem wurde sie infolge einer schweren Persönlichkeitsstörung in ein forensisch-therapeutisches Zentrum eingewiesen. "Es ist der Staatsanwaltschaft Wien in diesem Fall ein Fehler passiert", räumte die Anklagevertreterin eingangs der Verhandlung ein. Es sei zunächst ein medizinisches Gutachten "übersehen" worden, demzufolge mit der Stichverletzung Lebensgefahr verbunden war.
Den Bruststich hatte die Staatsanwaltschaft letztlich als versuchten Mord angeklagt, nachdem ursprünglich lediglich wegen versuchter absichtlicher schwerer Körperverletzung ermittelt worden war. Die Frau wurde erst im Oktober in U-Haft genommen, nachdem sie bis dahin weiter mit dem Opfer, einem 28-jährigen Koch, in aufrechter Lebensgemeinschaft an derselben Adresse gewohnt hatte. Vom Mordversuch sprachen die Geschworenen die 26-Jährige einstimmig frei, beide Taten wurden als absichtliche schwere Körperverletzung gewertet. Das Urteil ist rechtskräftig.
Frau in Wien-Landstraße stach Freund Messer in die Brust
Die Frau hatte dem 28-Jährigen das insgesamt 30 Zentimeter lange Messer am 31. Juli 2022 in der gemeinsamen Wohnung in Wien-Landstraße nach einem Streit und als angebliche Reaktion auf Tätlichkeiten in die Brust gestoßen. Die Klinge eröffnete rechts unterhalb des Schlüsselbeins die Brusthöhle, Luft drang in die Brusthöhle ein, es kam auch zu einer Einblutung in den Brustraum. "Hol mir Hilfe!", rief der Mann. Da die 26-Jährige nicht reagierte, zog er sich sein T-Shirt aus und versuchte damit die Blutung zu stoppen. Schließlich lief er aus der Wohnung auf die Straße, machte Passanten auf sich aufmerksam und setzte so selbst die Rettungskette in Gang. Der 28-Jährige kam in ein Spital, eine Notoperation rettete ihm das Leben. Wäre nicht rasch eine notfallmedizinische Versorgung erfolgt, wäre der Mann vermutlich verblutet.
Dessen ungeachtet wurde in dieser Sache zunächst nur wegen versuchter absichtlicher schwerer Körperverletzung ermittelt, die 26-Jährige wurde nicht einmal festgenommen. Dabei hatte sie ihrem Lebensgefährten bereits am 28. April 2022 ein Messer in den Körper gestochen. Damals versetzte sie ihm mit einem Stanleymesser einen 4,5 Zentimeter tiefen Stich in den Rücken. Schließlich wurde beim Landesgericht eine Anklage wegen versuchter absichtlich schwerer Körperverletzung in zwei Fällen eingebracht - was die nunmehrige Staatsanwältin, die mit der Sache ursprünglich nicht befasst war, bedauerte. "Der Fehler wurde korrigiert", hielt sie fest. Das Wiener Oberlandesgericht (OLG) habe die ursprüngliche Anklage zurückgewiesen, der lebensgefährliche Stich ist nun doch als versuchter Mord inkriminiert. Die 26-Jährige kam im Oktober 2022 in U-Haft, wobei als Haftgrund Tatbegehungsgefahr angenommen wurde. Das Paar wohnte zu diesem Zeitpunkt nach wie vor zusammen.
Unterbringung in forensisch-therapeutisches Zentrum
Die Unterbringung der 26-Jährigen in einem forensisch-therapeutischen Zentrum erfolgte gemäß § 21 Absatz 2 StGB, da diese zwar zurechnungsfähig ist, aber laut dem psychiatrischen Sachverständigen Peter Hofmann eine schwere Persönlichkeitsstörung aufweist, die einer geistig-seelischen Abartigkeit höheren Grades gleichkommt. Hofmann hält die zu Aggressionen neigende Frau für derart gefährlich, dass ohne haftgebleitende therapeutische Maßnahmen wieder mit Gewaltdelikten zu rechnen ist. Die Frau weist bereits mehrere Vorstrafen auf. In einer U-Bahn hatte sie Jugendliche ohne erkennbaren Grund attackiert, nach dem Aussteigen versetzte sie einem Mann auf einer Rolltreppe einen Kopfstoß. In einem Supermarkt riss sie die Jalousien vom Fenster, einem Autofahrer beschädigte sie die Motorhaube seines Gefährts, weil der sie angehupt hatte.
"Ich wollte ihn auf keinen Fall töten", sagte die Angeklagte in Bezug auf Mordversuch-Vorwurf. Sie bzw. ihr Verteidiger Nikolaus Rast schilderten eine Gewaltbeziehung, der Lebensgefährte der 26-Jährigen habe diese unter Alkoholeinfluss immer wieder geschlagen. "Wenn Alkohol und Drogen im Spiel waren, war die Beziehung toxisch. Immer wenn er sauft, wird er aggressiv und fängt an zu schlagen", meinte Rast. Sie habe sich nicht anders zu helfen gewusst, als zum Messer bzw. zu den Messern zu greifen: "A bissl verstehen kann ich's, auch wenn es nicht richtig ist." Der 28-Jährige sei doppelt so groß wie seine Mandantin, die Rast als "ein zartes Püppchen" bezeichnete. Die beiden hätten sich aber geliebt. Rast plädierte in Richtung Körperverletzung.
Angeklagte in Wien: Beide wären "sehr betrunken" gewesen
Die 26-Jährige meinte zum zeitlich ersten Messerangriff, ihr Freund und sie wären damals "sehr betrunken" gewesen: "Er war sehr aggressiv. Ich wollte, dass es aufhört". Sie habe daher im Vorzimmer in ihrer gemeinsamen Wohnung zu dem dort auf einem Kasten befindlichen Stanleymesser gegriffen. Zur weit gravierenderen Attacke behauptete die Frau, der 28-Jährige sei in der Küche handgreiflich geworden und habe sie mit dem Kopf gegen ein Kastl gestoßen: "Dann ging es mit den Schlägen los. Ich hab' einfach nach dem Messer gegriffen. Ich wollte, dass es aufhört. Es war ein leichter Stich."
Auf die Frage, weshalb sie keine Hilfe geholt habe, erwiderte die Angeklagte: "Ich war so im Schock. Mir ist die Nummer der Rettung nicht eingefallen." Sie habe sich gedacht, "dass es so ist wie beim ersten Mal, dass es eine leichte Verletzung sein wird". Daher habe sie begonnen, das Blut ihres Lebensgefährten aufzuwischen. Im Spital habe sie ihren Partner "jeden Tag besucht und ihm Essen gebracht."
Als der vorsitzende Richter Christoph Bauer wissen wollte, ob die Lebensgemeinschaft noch bestehe, entgegnete die Frau: "Nach allem, was ich durchgemacht habe, würde ich nicht mehr wollen." Seit ihrer Inhaftierung habe sie "gehofft, dass er mir schreibt. Aber es kam einfach nichts." Dass sie psychisch krank sei, "gestehe ich mir ein. Ich hab' Borderline", meinte sie weiter. Seit ihrer Inhaftierung sei ihr "bewusst, dass ich behandelt gehöre".
Ebenfalls Verhandlung gegen das Opfer
Neben der Frau wurde auch gegen das Opfer verhandelt, dem die Anklage das Vortäuschen einer mit Strafe bedrohten Handlung sowie falsche Zeugenaussage ankreidete. Der Lebensgefährte der Frau habe zu beiden Gewalttaten in seinen jeweiligen zeugenschaftlichen Vernehmungen "aus Liebe" wahrheitswidrig ausgesagt, rügte ihn die Staatsanwältin. "Er wollte sie schützen", hielt dem sein Verteidiger Andreas Schweitzer entgegen, "das tun Paare". Die beiden hätte eine Beziehung "nach dem Motto 'Breakfast at Tiffany's, aber auf die brutale Weise" geführt.
Der Mann hatte zum Stich im Frühjahr der Polizei gegenüber angegeben, er wäre von unbekannten Tätern ausgeraubt worden. Diese hätten ihn mit einem Messer zur Herausgabe seiner Wertgegenstände gezwungen und ihm danach einen Stich in den Rücken versetzt. Zum zweiten Messerangriff im Sommer gab er an, "Araber" hätten ihm auf der Straße die Klinge in die Brust gestoßen.
(APA/Red)