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Premiere von Haußmanns "Sommernachtstraum" an Wiener Burg: Blutig, witzig, ziellos

"Ein Sommernachtstraum" feierte am Burgtheater Premiere.
"Ein Sommernachtstraum" feierte am Burgtheater Premiere. ©Reinhard Werner/Burgtheater
Nachdem Leander Haußmann die Premiere seines "Sommernachtstraums" am Burgtheater um vier Tage verschoben hatte, war es am Sonntag, 10. September, endlich so weit. Shakespeares "Ein Sommernachtstraum" ging über die Bühne.

Leander Haußmann ist nach 20 Jahren ans Burgtheater zurückgekehrt, um Shakespeares “Ein Sommernachtstraum” zu inszenieren. Die volle Aufmerksamkeit zog er dann auch gleich auf sich, als er keine 24 Stunden vor der Premiere dieselbe um vier Tage verschob, um weitere Probentage zu gewinnen. Am Sonntagabend war es schließlich so weit: Er ließ die Inszenierung los wie einen Kampfhund von der Leine. In Shakespeares oft gespieltem Klassiker ist es ohnehin schon schwer, die verschiedenen Handlungsstränge im Blick zu behalten. Und doch schafft es Haußmann in seiner bereits vierten Inszenierung des Stoffs, noch eins draufzulegen. Hier ist nichts, wie es scheint und selten etwas so, wie man es kennt. Hier wird geschossen, geblutet und gevögelt, ohne auf die Konsequenzen zu achten. Das halbe Personal ist zum Ende des zweiten Akts tot? Egal. Wenn eine Blume die Macht hat, Liebesraserei zu erzeugen, kann sie auch von den Toten auferwecken. “Ich hab’s verpatzt”, raunt der herrlich verschrobene, fahrige Christopher Nell als Puck vor der Pause, als der Vorhang über dem zuvor angerichteten Schlachtfeld fällt. Doch zurück zum Anfang.

Düsterer Sommernachtstraum von Haußmann

Mit der Hochzeitsstimmung zu Beginn räumt Haußmann gleich einmal auf: Der Palast des Theseus ist von Stacheldraht eingezäunt, düster umrahmen Holzbaracken die Szenerie von Bühnenbildner Lothar Holler. Hippolyta, bereits im Hochzeitskleid, startet mit ihrem langen Schleier einen waghalsigen Fluchtversuch. Doch Theseus erwischt seine Braut im letzten Moment und zerrt sie zurück in seine Arme, dann landen sie doch im Bett. Daniel Jesch gebärdet sich dabei als kompromissloser Herrscher, der sich nimmt, was er will. Alexandra Henkel als Hippolyta fügt sich nur äußerlich, sie wird ihrem Verlobten bald nach dem Leben trachten. Die Stimmung für das kommende Verwirr- und Liebesspiel ist also schon mal aufgeheizt.

Haußmann nahm Änderungen in letzter Minute vor

Dass Haußmann in den vergangenen Tagen noch einiges geändert haben dürfte, wird beim Auftritt der jungen Menschen klar. Zwar kommt Franz J. Csencsits als herrischer Egeus, Vater der Hermia, noch in brauner Militärkluft auf die Bühne, die Jugend ist nunmehr aber in 70er-Jahre-Kluft gehüllt, Lysander und Demetrius spielen in Schlaghosen und kinnlanger Knackmatte, Hermia und Helena im Glitzerkleid. Auf den im Programmheft abgedruckten Fotos trugen die Damen noch muslimische Ganzkörperschleier, die Männer allesamt Uniform. Einen inhaltlichen Bezug hierauf findet man in der nun fertigen Inszenierung nicht mehr. Vielmehr dominiert jugendlicher Leichtsinn, den Mavie Hörbiger als verzweifelten Groupie mit Hang zum Masochismus verkörpert und eine grandiose Sarah Viktoria Frick als hemdsärmelige Emanze anlegt. Martin Vischer als Lysander und Matthias Mosbach als Demetrius irrlichtern als mit den Frauen eher überforderte Junggesellen durch die Szenerie.

Dekonstruktion des Sommernachtstraums an der Burg

Bis zur Pause ist es eine unterhaltsame Dekonstruktion des “Sommernachtstraums”, den Haußmann teils bis aufs Gerippe entschlackt hat um mit viel Witz die Eingeweide des Stücks hervorzuzerren. Damit – nicht zuletzt durch den exzessiven Gebrauch von Schusswaffen und Theaterblut – ist jedoch nach der Pause Schluss. Dass man so, wie es geendet hat, dieses Stück unmöglich im Shakespeare’schen Sinne fertig spielen kann, liegt auf der Hand. Also kommen die Bühnenarbeiter, bauen die Kulissen ab, während das Jungvolk Hand in Hand singend um einen Baum tanzt.

Freundlicher Schlussapplaus für Haußmanns Sommernachtstraum

Auf die nunmehr kahle Bühnenrückwand wird der Zuschauersaal des Burgtheaters projiziert, an der Rampe geben die Handwerker (mit vorgehaltener Pistole!) ihre Aufführung. Auch Oberon reicht es am Ende und er verlässt schimpfend die Bühne. Da bleibt es also dem ziemlich verzweifelten Puck überlassen, das wieder in Ordnung zu bringen. Also bittet er nicht nur textgetreu um Applaus, sondern auch um Verschonung vor etwaigen Buh-Rufen. Die gab es nach fast dreieinhalb Stunden dann wirklich nicht. Das Publikum ließ sich wohlwollend auf Haußmanns Treiben ein und spendete langen, freundlichen und von Jubelrufen durchsetzten Schlussapplaus.

APA/Red.

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