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Pranger: "Habe mentale Stärke gefunden"

Der Tiroler erzählt im Interview, wie er gelernt hat, mit Druck umzugehen, warum er im wichtigsten Rennen des Jahres einen neuen Ski fuhr und dass er nach der Geburt seines zweiten Kindes erst wieder ins Training finden musste.

Frage: Wie groß ist die Erleichterung, dass es bei ihren vierten Weltmeisterschaften endlich mit einer Medaille geklappt hat?
Pranger: “Ich bin viermal angetreten, ich war immer nach dem ersten Durchgang Zweiter oder Dritter und auf Medaillenkurs und bin dann immer ohne Medaille nach Hause gefahren. Heute habe ich mir auch eine Medaille gewünscht, ich habe schon lange davon geträumt, eine Goldmedaille zu gewinnen. Ich habe heuer das erste Mal gesehen, dass ich das wirklich schaffen kann. Vor dem zweiten Durchgang habe ich mir gedacht, Hauptsache eine Medaille, egal welche Farbe, denn es war so schwierig. Aber im Mittelteil habe ich gemerkt, ich kann noch ein bisschen Gas geben, denn ich war gut drauf. Deshalb war ich im Ziel so überglücklich, als ich gesehen habe, Pranger Manfred steht ganz oben. Ich habe auf der Tafel von unten nach oben gesucht, und dann ganz oben mich gefunden. Dann war ich so glücklich.”

Frage: Wie nervös waren Sie vor dem zweiten Durchgang?
Pranger: “Unmittelbar vor dem Fahren nicht mehr, das war das Komische. Bevor ich wegfahren konnte, war ich voll konzentriert auf meine Sache. Als ich dann gesehen habe, dass sich sehr viele Leute sehr schwergetan haben, dass Grange und Brolenius ausgeschieden sind, bin ich ziemlich nervös geworden. Aber ich habe mich wieder auf meine Sache konzentriert.”

Frage: Haben Sie vor ihrem Start gewusst, dass Sie der Letzte sind, der für Österreich diese Goldmedaille holen kann und was hat es bei Ihnen bewirkt?
Pranger: “Ich wusste, ich bin der Letzte, der oben steht. Das ist für mich immer ein schönes Gefühl, denn dann weiß man, dass der erste Lauf super gegangen ist. Ich habe es genossen, als Führender oben zu stehen, aber ich habe dann das mit Grange und Brolenius mitbekommen. Dann hab ich meine Taktik geändert und oben ziemlich zurückgesteckt, ich wollte eigentlich viel mehr attackieren. Im Mittelteil habe ich meine Sicherheit gefunden und deshalb unten noch einmal Gas gegeben. Dass Benni ausgeschieden ist, habe ich nicht gewusst. Aber ich habe gewusst, dass es wichtig ist, für Österreich eine Medaille zu holen. Aber es war umso wichtiger für mich, eine Medaille zu holen. Deshalb bin ich heute so glücklich.”

Frage: Raich lag weit zurück, aus österreichischer Sicht schien alles an Ihnen zu liegen. Wie war die Zeit zwischen den Durchgängen?
Pranger: “Es war komisch. Ich war ziemlich locker. Beim Besichtigen habe ich gesehen, dass es wieder ein schwieriger Lauf wird, dass die Piste rippiger wird. Das hat mich am meisten raus gebracht, ehrlich gesagt. Vielleicht war es auch gut, dass ich dann im Rennen erst mal reingefunden und dann erst Gas gegeben habe. Schade dass Benni dann ausgeschieden ist, wäre schön, wenn er auch noch oben gestanden wäre. Dass die anderen (Teamkollegen/Anm.) ausgeschieden sind, ist genau das, was die Herren in Val d’Isere verfolgt hat. Pech einfach.”

Frage: Nur 36 der 75 gestarteten Athleten hatten den ersten Durchgang überstanden, nur 17 kamen im Finale in die Wertung. War die Präparierung zu schwer?
Pranger: “Die Präparierung war super, es ist extra noch einmal vereist worden. Ich glaube, dass der Hang generell sehr schwierig ist, weil er nie flach ist, weil er hängt, dann sind Übergänge, es ist steil und vom Start geht es sehr schnell weg. Aber ich glaube, dass es an dem liegt, dass jeder seine Medaille machen will. Jeder attackiert. Und wenn man im Slalom attackiert, dann ist man immer sehr knapp am Limit. Und bei einer WM zählen nur die ersten Drei, deswegen geht jeder ans Limit, deswegen scheiden auch so viele aus. Beim Weltcup würden jetzt dreißig im Ziel stehen.”

Frage: Vor zwei Wochen sind Sie zum zweiten Mal Papa geworden, jetzt sind Sie Weltmeister. Kann es einen glücklicheren Menschen geben?
Pranger: “Es war für mich wichtig, dass bei der Geburt alles hingehauen hat, da ist uns ein Riesenstein vom Herzen gefallen, denn das ist nicht selbstverständlich. Im Training ist dann alles gegen den Strich gelaufen, ich bin nicht so gut in Form gewesen, ich war immer ein bisserl mit dem Kopf daheim beim Kleinen. Als ich dann hierhergekommen bin, habe ich auf einmal wieder ein bisserl ein Gefühl bekommen und meinen Traum weitergeträumt. Beim ersten Trainingstag hat es mich auch wieder rumgeschleudert, ich dachte, ich bin nicht auf dem richtigen Weg. Aber am Tag vor dem Rennen hatte ich ein gutes Gefühl, heute in der Früh sind dann wieder ein paar Sachen aufgetreten, die mir nicht so getaugt haben.”

Frage: Was ist passiert?
Pranger: “Wir haben schon gestern ein bisserl diskutiert, welchen Ski ich nehme. Ich hatte einen neuen Ski, der auf dem Eis gut gegangen ist. Aber ich hatte das Gefühl, ich kann mit dem nicht sicher fahren. Mein alter Rennski hat schon eine sehr dünne Kante, weil ich ihn den ganzen Winter schon gefahren bin. Der Servicemann hat gesagt, er hatte Bauchweh, weil er das Gefühl hatte, der Ski hält nicht. Und beim Einfahren habe ich so einen ähnlichen Ski genommen, und da hat es mir gleich die Kante weggerissen. Und dann haben wir gesagt: Es nützt nichts, ich muss den neuen Ski nehmen. Dann dachte ich mir, das muss nicht sein an dem Tag heute. Aber ich habe mir gesagt, es nutzt jetzt nichts, probieren wir es. Ich war sehr beunruhigt, wollte aber daran festhalten, dass ich meine Linie machen will, mein Skifahren machen will. Das ist mir gut gelungen. Als ich im Ziel war und Bestzeit hatte, habe ich gesehen, okay, es funktioniert. Da war ich beruhigt.”

Frage: Ist es ein Zeichen Ihres Reifeprozesses, dass sie das mit dem Skiwechsel so gemeistert haben?
Pranger: “Ja, das wäre vor einem Jahr, vor meiner Verletzung nicht möglich gewesen. Da wäre der ganze Tag gelaufen gewesen. Das ist die Stärke, die ich heuer mental gefunden habe. Dass ich mit Druck umgehen kann. Dass ich so ruhigbleiben kann. Das habe ich davor nicht geschafft. Und das taugt mir. Auf das habe ich heute zurückgegriffen, dass ich mir gedacht habe, okay, es ist heuer schon öfter was daneben gegangen und ich habe trotzdem gute Leistungen gebracht. Es haben bei anderen Rennen auch gewisse Sachen nicht funktioniert und ich bin trotzdem Zweiter oder Erster geworden.”

(Aufgezeichnet von Birgit Egarter/APA aus Val d’Isere)

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