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Pleitewelle beginnt wieder zu rollen

Die Pleitewelle bei Österreichs Unternehmen beginnt wieder zu rollen: Während die Privatkonkurse unverändert explodieren, drohen auch die Firmeninsolvenzen wieder zu steigen.

“Wir müssen froh sein, wenn die Firmenpleiten Ende des Jahres gegenüber 2007 nicht gestiegen sind,” so der Insolvenzexperte im Kreditschutzverband von 1870 (KSV), Hans-Georg Kantner, am Mittwoch zur vorliegenden Insolvenzstatistik für das 1. Halbjahr 2008. Die Privatkonkurse kletterten im Jahresvergleich wieder zweistellig um fast 13 Prozent. Die für nächste Woche anberaumte KSV-Pressekonferenz wurde heute abgesagt. 2008 wird keine Entspannung bei den Firmeninsolvenzen bringen, ist Kantner überzeugt. Ursachen sind der hohe Ölpreis und die Dollarschwäche. Darüber hinaus habe die USA-Subprime-Krise die Finanzierungsfreudigkeit der Banken gedämpft, so Kantner zur APA. Im Detail gingen die Unternehmenspleiten insgesamt im Halbjahr im Jahresvergleich um 5,3 Prozent auf 3.136 Fälle zurück. Der Rückgang sei jedoch auf die noch günstige Entwicklung im ersten Quartal zurückzuführen. Danach habe es einen “deutlichen Knick” nach oben gegeben. Die eröffneten Verfahren stiegen im Berichtszeitraum um 4,4 Prozent auf 1.616 Fälle, die mangels Masse abgewiesenen Konkursanträge sanken deutlich, und zwar um 13,8 Prozent auf 1.520 Fälle. Die geschätzten Passiva gingen um 8,3 Prozent auf 1,1 Mrd. Euro zurück, die Zahl der betroffenen Dienstnehmer hingegen stieg um 14,3 Prozent auf 10.400 (9.100) Betroffene.

Die größten Fälle waren bis jetzt der Konkurs der Biodiesel Enns mit 46,4 Mio. Euro Passiva, gefolgt von den Konkursen der AST Baugesellschaft mit 41 Mio. Euro Verbindlichkeiten und der Maschinenfabrik Battenfeld mit 30 Mio. Euro. Die meisten Pleiten gab es im Halbjahr in Wien (976 Fälle), vor Niederösterreich (516) und der Steiermark (416). Nach Branchen waren vor allem die Bauwirtschaft (532 Fälle/189,4 Mio. Euro Passiva), unternehmensbezogene Dienstleistungen (521 Fälle/243,5 Mio. Euro) und das Gastgewerbe (454 Fälle/76,2 Mio. Euro) betroffen.

Die Privatkonkurse kletterten im Halbjahr ungebremst weiter und nahmen im Jahresvergleich um insgesamt 12,7 Prozent auf 4.913 Fälle zu. Die eröffneten Verfahren stiegen um 17,9 Prozent auf 4.331 Fälle, die mangels Masse abgewiesenen Konkursanträgen sanken um 15,3 Prozent auf 582 Fälle. Die geschätzten Passiva erhöhten sich um 2,8 Prozent auf 507 Mio. Euro. Die meisten Privatkonkurse oder Schuldenregulierungsverfahren gab es unverändert mit 1.757 Fälle in Wien.

Die Schulden der Privaten sind laut KSV im Jahresvergleich im Schnitt um rund 13 Prozent auf 117.000 Euro zurückgegangen. Während ehemalige Selbstständige mehrere hunderttausend Euro Schulden haben, haben “wirkliche Verbraucher” durchschnittlich 55.000 Euro Schulden. Für Kantner ist das Ansteigen der Privatpleiten ein positives Zeichen, denn jedes eröffnete Verfahren bedeutet für den Überschuldeten “ein Stück Hoffnung” aus der finanziellen Misere.

Der KSV hat seine für 24. Juni anberaumte Pressekonferenz abgesagt und die aktuellen Halbjahreszahlen bereits heute, Mittwoch, veröffentlicht. Hintergrund ist die Auseinandersetzung mit dem noch jungen Gläubigerschutzverband Creditreform, der am morgigen Donnerstag im Rahmen einer Pressekonferenz über “aktuelle Insolvenztrends” berichten wird. Der KSV begründet seine Absage damit, dass er den eingeladenen Journalisten nicht zumuten wolle – nachdem nun kurzfristig eine andere Pressekonferenz zu diesem Thema anberaumt wurde – zweimal den gleichen Weg auf sich zu nehmen. “Aus diesem Grund sagen wir die für 24.6. anberaumte Pressekonferenz ab”. Den beiden eingesessenen Gläubigerschutzverbänden KSV und Alpenländischer Kreditorenverband (AKV) ist der seit einem Jahr agierende Newcomer ein Dorn im Auge.

Sie haben im vergangenen Herbst beim Handelsgericht Wien einen Rekurs wegen fehlerhafter Zulassung eines vierten Gläubigerschutzverbandes eingebracht. In Österreich teilen sich das Insolvenzgeschäft KSV, AKV, die AK-nahe ISA und die Creditreform. Für die bestehenden Gläubigerschutzverbände bedeutet die neue Konkurrenz auch weniger Geld, denn sie werden aus der Masse bezahlt und zwar zum einen nach der Zahl der Gläubiger und zum anderen muss ein fixer Betrag nun statt gedrittelt geviertelt werden.

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